World Vision zum Taifun auf den Philippinen

"Die Menschen haben aus 'Haiyan' gelernt"

Ein Jahr nach dem verheerenden Taifun "Haiyan" wütet wieder ein Sturm über den Philippinen. "Hagupit" zwingt Tausende zur Flucht. Dorothea Hohengarten vom Hilfswerk "World Vision" im domradio.de-Interview.

Nach dem Taifun "Hagupit" (dpa)
Nach dem Taifun "Hagupit" / ( dpa )

domradio.de: "Hagupit" verliert an Kraft. Ist das die gute Nachricht an diesem Tag?

Hohengarten: Das ist auf jeden Fall eine gute Nachricht, denn allen Menschen in der Region sitzt der Schock von "Haiyan" noch tief in den Gliedern, der ja vor einem Jahr dort sehr große Verwüstungen angerichtet hat.

domradio.de: Wie sieht es denn ansonsten aktuell aus in den betroffenen Regionen?

Hohengarten: Es ist so, dass der Taifun immer noch über Land zieht bzw. über Wasser zieht und erst am Mittwoch die Region wieder verlassen haben wird. Wir wissen, dass zum Beispiel auf der Insel Leyte, die ja letztes Jahr sehr stark betroffen war, die Zerstörungen im Vergleich zu letztem Jahr sehr stark im Rahmen halten. Es gibt zwar sehr viele abgerissene Dächer, es gab viele Überflutungen und die Menschen haben sich zu Hunderttausenden in Sicherheit gebracht. Aber die Zerstörungen sehen wohl nicht so extrem aus wie letztes Jahr. Von anderen Inseln wissen wir noch nichts genaueres, z.B. auf Samar sind noch Teams von uns unterwegs, die gerade Einschätzungen einholen, wie groß die Zerstörungen sind.

domradio.de: Sie schätzen die Lage auf den Philippinen ein. Was können Sie noch tun als Hilfswerk World Vision?

Hohengarten: Wir sind im Moment dabei, z.B. in Tacloban, wo sich im Moment noch hunderttausend Menschen in Evakuierungszentren befinden, diese Menschen zu versorgen. Man muss sich das so vorstellen: Viele Menschen haben sich dahin geflüchtet, das war auch sehr gut. Sie haben da sehr gut reagiert, auch die Behörden haben wirklich sehr vorausschauend reagiert und die NGOs, also die Hilfsorganisationen, haben alles dafür getan, dass die Menschen rechtzeitig in den Zentren in Sicherheit gebracht werden. Aber nun ist es so, dass Viele noch nicht zurückkehren können, weil z.B. die Dächer ihrer Häuser weggeflogen sind, es regnet weiterhin. Das heißt, sie werden die nächsten sieben Tage noch in den Zentren bleiben und dort müssen sie versorgt werden. Für diesen Fall haben wir z.B. Hygienekits bereitgestellt, die den Menschen verteilt werden, wir bringen Trinkwasser an die Evakuierungszentren und versuchen, den Menschen dort so gut wie es geht zu helfen, damit sie den Wiederaufbau jetzt sehr schnell hinkriegen.

domradio.de: Merkt man denn noch die Zerstörung von "Haiyan"? Ist da noch nicht alles wieder weggeräumt worden von vor einem Jahr?

Hohengarten: Ich war vor rund einem Monat in Tacloban. Wenn man sich z.B. den Küstenstreifen anguckt, das sind riesige Wellblechsiedlungen, in denen tausende von Menschen leben, die wurden direkt nach "Haiyan" sehr schnell und sehr notdürftig wieder aufgebaut. Also die Menschen leben da in sehr einfachen Verhältnissen, zum Teil zu fünft oder zu zehnt auf zehn, 20 Quadratmetern, wenn überhaupt. Das sind sehr einfach gebaute Hütten, die bei jedem Sturm auch sehr schnell wieder wegfliegen können und das ist teilweise auch passiert. Es gibt natürlich auch Gebiete, in denen auch mit Hilfe von World Vision sehr stabile Häuser gebaut wurden. Wir haben über 5000 Familien ausgebildet, die Dächer stabiler wieder aufzubauen, so dass sie sturmfester sind. Insofern, der Aufbau läuft noch und es ist auch viel erreicht worden. Ich glaube, auch unsere Arbeit hat dazu beigetragen, dass die Verwüstungen dieses Mal nicht so extrem sind.

domradio.de: Trotzdem wieder ein schwerer Sturm. Da stellt sich natürlich auch die Frage nach der Vorsorge von solchen Naturkatastrophen. Was kann man da tun?

Hohengarten: Ich glaube, dass die Behörden, ebenso wie die Hilfsorganisationen und die Bevölkerung, seit "Haiyan" sehr viel dazugelernt haben. Es wird sehr viel investiert, auch in Katastrophenvorsorge. Das bedeutet, man setzt sich an den Tisch und überlegt sich, wie können wir solchen Super-Taifunen in Zukunft begegnen? Da gehört z.B. dazu, dass man Informationssysteme aufbaut, dass Sturmwarnungen auch wirklich jeden erreichen, dass die Bevölkerung sensibilisiert wird - was muss ich einpacken, wenn es losgeht, wie ernst nehme ich eigentlich Warnungen? Das war bei "Haiyan" so, dass viele Menschen sich aus den Küstenregionen nicht in Sicherheit gebracht haben, weil sie es nicht ernst genug genommen haben. Viele sind zu Hause geblieben und wurden dann böse getroffen. Da hat sich sehr viel getan in den letzten Monaten. Da sind runde Tische gebildet worden und die Katastrophenvorsorge hat deutlich zugelegt.

Das Gespräch führte Tobias Fricke. Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Weder domradio.de noch das Erzbistum Köln machen sich Äußerungen der Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen zu eigen.


Quelle:
DR