Festakt zu 70 Jahren Zentralrat der Juden in Deutschland

Würdigungen und Mahnungen an symbolträchtigem Ort

Unter blauem Himmel feiert der Zentralrat der Juden sein 70-jähriges Bestehen. Und mahnt vor der Ruine der Neuen Synagoge in Berlin vor Antisemitismus. Nichtsdestotrotz strahlt deren berühmte Kuppel golden und stolz.

Autor/in:
Leticia Witte und Birgit Wilke
Juden sind vielfach antisemitischen Übergriffen ausgesetzt (dpa)
Juden sind vielfach antisemitischen Übergriffen ausgesetzt / ( dpa )

Am Dienstag fand im Innenhof der Neuen Synagoge in Berlin der Festakt zum 70-jährigen Bestehen des Zentralrats der Juden in Deutschland statt. Sie war einst mit 3.200 Sitzplätzen das größte jüdische Gotteshaus Deutschlands. Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und dem späteren Wiederaufbau der erhalten gebliebenen Teile gilt das Gebäudeensemble einerseits als Mahnmal. Andererseits symbolisiert es mit seiner berühmten, goldschimmernden Kuppel den Stolz der Berliner Juden. Es gibt Veranstaltungen und auch wieder einen Betraum.

An diesem Ort an der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte also kamen Repräsentanten des Zentralrats, Spitzenpolitiker, Rabbiner und christliche Bischöfe sowie Vertreter des Islam zusammen, um zu feiern - und angesichts von wachsendem Antisemitismus auch zu mahnen. Mit dabei waren Berlins Erzbischof Heiner Koch und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm. Die Musik steuerte Stargeiger Daniel Hope bei. Und die ARD übertrug die Feier mit rund 130 Gästen live in die Wohnzimmer.

Merkel als Festrednerin

Festrednerin war Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der Zentralratspräsident Josef Schuster zuvor ein besonderes Engagement für jüdisches Leben in Deutschland bescheinigt hatte. Sie ist auch Trägerin der Buber-Rosenzweig-Medaille, die für Verdienste um eine Verständigung zwischen Christen und Juden verliehen wird.

Merkel würdigte den Zentralrat als verlässlichen Partner in Politik und Gesellschaft. Und betonte: "Wir dürfen uns über ein blühendes jüdisches Leben freuen." Schuster bezeichnete die Gründer des Zentralrats als "Pioniere", die Deutschland kurz nach dem Zweiten Weltkrieg einen großen "Vertrauensvorschuss" gewährt hätten. Der Zentralrat war am 19. Juli 1950 in Frankfurt gegründet worden. Einst war er nur als Provisorium gedacht - heute gehören ihm bundesweit 105 Gemeinden mit rund 95.000 Mitgliedern an.

Schuster erinnert an Anschlag auf Synagoge in Halle

Ebenso wie Merkel blickte Schuster auf eine wachsende Zahl antisemitischer Vorfälle, etwa den Anschlag auf die Synagoge in Halle vor knapp einem Jahr. Er erinnerte auch daran, dass es 2019 über 2.000 antisemitische Straftaten gegeben habe - ein trauriger Rekord.

Antisemitismus in verschiedenen Milieus, Israelhass, Anschläge, Verschwörungsmythen: "Das Gedankengut der Nazis ist noch immer nicht verschwunden", kritisierte Schuster. Mit Blick auf jüngste Auswüchse bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen - etwa "gelbe Sterne" mit der Aufschrift "ungeimpft" - sprach er von einer "widerlichen Instrumentalisierung" der Schicksale von Schoah-Überlebenden.

Nicht zu Antisemitismus​ schweigen

Merkel fand ebenfalls deutliche Worte: "Es ist eine Schande und beschämt mich zutiefst, wie sich Rassismus und Antisemitismus in diesen Zeiten äußern." Zwar habe es Rassismus und Antisemitismus immer gegeben, er trete aber sichtbarer und enthemmter auf. Beleidigungen, Drohungen und Verschwörungstheorien richteten sich offen gegen Juden. Dazu dürfe nicht geschwiegen werden. "Wir wissen, wie schnell aus Worten Taten werden können."

Trotz allen blühenden jüdischen Lebens gebe es ein "Unbehagen" in der Gemeinschaft, betonte Schuster: "Leise" stelle sich die Frage, wie sicher Juden in Deutschland leben könnten. Die gesamte Gesellschaft müsse sich daher für ein gerechtes und tolerantes Land einsetzen.

"Zentralrat der Juden ist ein Glücksfall für Deutschland und Europa"

Erst am Montag hatte Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) den Zentralrat "als Verteidiger unserer grundlegenden Freiheitswerte" bezeichnet. Lob kam auch von Pinchas Goldschmidt, Präsident der Konferenz der Europäischen Rabbiner und Oberrabbiner von Moskau: "Der Zentralrat der Juden ist ein Glücksfall für Deutschland und Europa." In Zeiten von Hass und Hetze sei es umso wichtiger, dass er die politische Stimme der in Deutschland lebenden Juden sei und sich für die Zukunft jüdischen Lebens einsetze.

Die Gebäude der Neuen Synagoge nutzt die Jüdische Gemeinde zu Berlin. Deren Vorsitzender Gideon Joffe schloss seine Begrüßung zum Festakt mit den symbolträchtigen Worten: "Gott schütze die Bundesrepublik Deutschland, und er schütze den Zentralrat der Juden in Deutschland."


Bundeskanzlerin Angela Merkel / © Michele Tantussi/Reuters-Pool (dpa)
Bundeskanzlerin Angela Merkel / © Michele Tantussi/Reuters-Pool ( dpa )

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland / © Harald Oppitz (KNA)
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland / © Harald Oppitz ( KNA )

Neue Synagoge in Berlin / © MDOGAN (shutterstock)
Quelle:
KNA