domradio.de: Aktive Sterbehilfe ist in Deutschland verboten. Nicht allerdings die „gewerbliche und die organisatorische Vermittlung von Sterbehilfe" - Wo ist denn da genau der Unterschied?
Alois Glück (Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken): Der Unterschied liegt darin, dass sich Organisationen gegründet haben. Wir haben die Situation in der Schweiz, wir haben Sie auch in Belgien, wir haben sie aber auch schon in Deutschland, etwa mit dem Verein in Hamburg. Dort wird organisiert geworben für entsprechende Angebote dieser Organisationen für die Beihilfe. Daraus entsteht natürlich eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung, die im hohen Maße bedenklich ist, denn wenn das zulässig wird oder gar Standard würde, dann entstehen daraus enorme Drucksituationen auf Menschen. Es geht auch um die Rolle der Ärzte in dem Zusammenhang.
Eine ganz andere Frage ist, wenn der einzelne Mensch sich dafür entscheidet, dann gebietet der Respekt, wenn er ganz persönlich diesen Weg gehen will, hier nicht mit dem Strafrecht zu reagieren. Das ist das, was Minister Gröhe dann auch so formuliert hat. In der letzten Legislaturperiode des deutschen Bundestages gab es einen Gesetzentwurf. Es gab eine sehr kontroverse Debatte und es kam zu keiner Verabschiedung, was letztlich auch gut war und damit ist das Thema jetzt wieder aktuell für einen neuen Bundestag.
domradio.de: Also Sie sagen das Strafrecht sollte auch weiterhin schweigen. Wenn es darum geht?
Glück: Das Strafrecht sollte schweigen, in dem Bereich, wo es um diesen ganz persönlichen, etwa familiären Bereich geht. Wir haben heute auch kirchlich eine andere Einstellung, etwa zur Frage des Suizids. Es liegt die Zeit nicht zu lang zurück, wo dann beispielsweise Selbstmörder nicht kirchlich beerdigt wurden. Aber es ist eine ganz andere Frage, wenn dann organisierte Formen in der Gesellschaft entstehen und sich damit auch gesellschaftliche Normen verändern, an deren Schluss gerade unter den Aspekten der Auswirkungen der demografischen Entwicklung dann Drucksituationen auf Menschen entstehen, die nicht akzeptiert werden können.
domradio.de: Aber trotzdem muss auf diese Situation ja reagiert werden. Wie kann das denn passieren?
Glück: Reagieren müssen wir mit positiven Angeboten. Deswegen genügt nämlich sowohl für die Kirchen wie für die Politik nicht, diese Entwicklung abzulehnen. Das noch wichtigere ist dann, die heutigen Möglichkeiten der Palliativmedizin in der Hospizbegleitung allen Menschen zugänglich zu machen. Die große Zustimmung auch bei Umfragen zur sogenannten aktiven Sterbehilfe kommt aus den Ängsten der Menschen vor einem langen schmerzvollen Weg, womöglich in Einsamkeit. Wir haben heute die Möglichkeiten mit der Palliativmedizin in den allerallermeisten Fällen einen weitgehend schmerzfreien Weg zu ermöglichen. Diese Menschen brauchen die Zuwendung durch Hospizbegleitung. Das ist jetzt die besondere Bringschuld, nicht nur in den Krankenhäusern. Dort gibt es Gott sei Dank eine gewisse Entwicklung in der Palliativmedizin, aber da ist noch viel innere Korrektur in der Medizin notwendig, nicht "Machen bis zum Lebensende". Immer mehr Menschen fürchten, sie kommen in die Maschinerie einer Intensivmedizin, die handelt so lang sie irgendwie handeln kann. Wir müssen vor allen Dingen die Möglichkeiten der Palliativmedizin in den häuslichen Bereich bringen, in die Pflegeheime. Die Möglichkeiten haben wir und das ist jetzt für mich auch eine Glaubwürdigkeitsfrage sowohl für die Kirchen wie auch für die Politik: dass wir nicht nur in der normativen Debatte Grenzen ziehen, sondern weit größere Anstrengungen diese Angebote auch zu den Menschen zu bringen.
Das Interview führte Verena Tröster (domradio.de)