domradio.de: Innenminister De Maizière und Generalsekretär Tauber haben eindringlich versucht, den Antrag auf Rücknahme der doppelten Staatsbürgerschaft zu verhindern - vergebens. Wie stehen Sie zu diesem Änderungsantrag, der aus den Reihen der Jungen Union eingebracht wurde?
Thomas Sternberg (Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken): Ich habe fraglos zu denen gehalten und mit denen votiert, die den Koalitionskompromiss mittragen. Eines möchte ich aber klarstellen: Ich glaube, dass die CDU gestern nicht nach rechts gerückt ist. Das kann man weder vom Leitantrag sagen, noch von dem sehr guten langen Vortrag, den die Kanzlerin gehalten hat. Ich sehe diesen Rechtsruck jedenfalls nicht, der jetzt herbei geschrieben wird.
Ich habe den Eindruck, man sucht etwas für das politische Entertainment, wenn man so etwas behauptet. Ich glaube, dass die CDU sich wieder so positioniert hat, wie sie als christdemokratische Union immer aufgestellt war: Als eine Mitte-Partei, koalitionsfähig mit anderen demokratischen Parteien und auf einem Weg, der eben nicht ein Anbiedern an die AfD bedeutet, sondern eine wirklich eindeutige und ganz klare scharfe Abgrenzung gegen die Populisten gewesen ist.
domradio.de: Aber es sind zwei gespaltene Lager: Die Kanzlerin auf der einen Seite und die Befürworter der Aufhebung der doppelten Staatsangehörigkeit auf der anderen, oder?
Sternberg: Man muss ja sagen, dass auch für die Aufhebung des Doppelpasses gerade einmal 51 Prozent gestimmt haben. Deshalb musste ja überhaupt schriftlich ausgezählt werden, weil wir so eine merkwürdige Pari-Situation hatten. Also würde ich das Thema nicht so hochziehen. Außerdem wird das auf das Regierungshandeln nicht viele Auswirkungen haben, weil da natürlich Koalitionsrücksichten gelten müssen. Ich glaube auch nicht, dass das ein entscheidendes Rechts-Thema oder gar ein Rechtsrücken ist. Vielmehr bin ich erfreut darüber, dass die Kanzlerin hier doch mit ihrem sehr klaren, nicht veränderten Kurs eine so breite Mehrheit bekommen hat.
Alle haben ja damit gerechnet, dass es eine große Schlappe für Angela Merkel werden würde. Aber 89,5 Prozent sind nun alles andere als eine Schlappe, sondern große Unterstützung ihres Kurses. Was ich persönlich sehr schön fand: Dass sich Angela Merkel bei den ehrenamtlichen Helfern bedankt und betont hat, dass Deutschland sich gerade durch diese Helfer von seiner allerbesten Seite gezeigt habe. Oder ihre Passage zur Familienpolitik, wo sie gesagt hat, dass lebenslange Verantwortung zum Beispiel von Eltern für Kinder und von Kindern für Eltern, auch für Großeltern, etwas sei, was behütet und geschützt werden müsse. Das sind so Äußerungen, die mir dann sehr viel wichtiger waren.
domradio.de: Dass Angela Merkel ihren Kurs hält, stellt ja auch kaum jemand in Frage. Aber sie hatte ja zum Auftakt in Essen an ihre Partei appelliert "Ihr müsst mir helfen!" Haben Sie wirklich das Gefühl, dass die Partei das gerade tut?
Sternberg: Auf jeden Fall. Wie gesagt, das Ergebnis von 89,5 Prozent war da ganz eindeutig. Außerdem ist im Saal ganz eindeutig nicht das geschehen, was viele Journalisten erwartet oder vielleicht sogar erhofft hatten: Dass nämlich dort eine Abrechnung mit der Kanzlerin stattfindet. Das Gegenteil war der Fall! Es gab allgemeine Begeisterung und es gab eine große Zufriedenheit darüber, dass Angela Merkel sich klar positioniert hat in den politischen Dingen.
Auch wurde es positiv aufgenommen, dass sie sehr persönlich geworden ist am Schluss, nämlich mit einem Begriff, der nicht zuletzt im Umfeld der kirchlich und religiös engagierten Menschen um die Wendezeit sehr präsent war. Dieser Begriff "Geh ins Offene, Freund", was sie jemandem 1989 ins Stammbuch geschrieben hatte. Dieses "Geh ins Offene", abgeleitet vom Hölderlin-Wort "Komm ins Offene, Freund", hat eine große Rolle in evangelischen und katholischen Kreisen gespielt.
Ich fand das sehr berührend, dass sie hier noch einmal auf diese Dinge rekurriert hat und damit noch einmal deutlich gemacht hat, dass man mit Positionen nicht so operieren kann, dass sie auf Ewigkeiten eingemeißelt sind, sondern dass man auf die Zumutungen der Zeit reagieren muss.
domradio.de: Sie selbst sind ja beides: CDU-Politiker und Präsident des größten katholischen Laienverbandes ZdK. Gibt es da Momente, wenn Sie beim Parteitag sind, wo Sie sich im Zwiespalt zwischen beiden Rollen fühlen.
Sternberg: Das ist eine wichtige Frage. Ich glaube nicht, dass man als Christ unberührt von der Welt agieren muss, als wäre Christsein etwas, das nicht in der Welt passiert. Im Gegenteil: Wenn ich Politiker bin, bin ich Christ. Wenn ich Christ bin, bin ich Politiker. Das geht durchaus auch so gut zusammen, weil natürlich ganz unterschiedliche Richtungen das gemeinsam tun. Wenn ich das etwa gemeinsam mit meiner Vize-Präsidentin Karin Kortmann tue, die bekannterweise in der SPD ist.
Oder wenn ich Winfried Kretschmann treffe, der bekanntermaßen auch nicht CDU-Mitglied ist, dann finden wir eine Ebene, die uns als Christen verbindet und wo wir als Christen gemeinsame Grundlagen und Überzeugungen teilen. Auch wenn das in der politischen Detailsteuerung unterschiedlich ausgedrückt ist. Es gibt aber keinen grundsätzlichen Konflikt und man sollte ihn auch nicht herbei reden.
Das Gespräch führte Tommy Millhome.