Zehn Tage unabhängiger Kosovo - Kolping-Generalsekretär im domradio über Hoffnungen

"Sie erwarten das Paradies"

Zehn Tage ist es nun her, dass sich der Kosovo als Republik von Serbien loslöste und die staatliche Unabhängigkeit erklärte. International bleibt diese Unabhängigkeit umstritten. Vor der Loslösung war Hubert Tintelott, Generalsekretär bei Kolping International, im Land unterwegs. domradio sprach mit ihm über die Eindrücke seiner Reise. - Zur aktuellen Situation im Norden des Landes hören Sie ein domradio-Interview mit Bianca Kaltschmitt von der Entwicklungshilfeorganisation "Help".

 (DR)

domradio: Sie waren noch vor der Unabhängigkeitserklärung im  Kosovo - wie haben Sie das Land erlebt?

Hubert Tintelott: Die Leute erwarten sich durch die Unabhängigkeit das Himmelreich auf Erden und "paradiesische Zustände" wie in Deutschland - die Lösung aller wirtschaftlichen Probleme. Und die wirtschaftlichen Probleme sind ja die: 43 Prozent der Menschen sind arbeitslos. Das heißt ein Großteil der Menschen, die in diesem Land leben, haben Abhängigkeiten von Verwandten, die irgendwo in Europa oder sonst in der Welt leben, die regelmäßig Geld überweisen. Der Zusammenhalt in den Familien, das habe ich immer wieder erleben können, ist sehr eng. Wenn ein Bruder in Deutschland Arbeit findet, muss er die Angehörigen daheim weiter unterstützen.

domradio: Hatten Sie das Gefühl, die Menschen wussten, was auf sie zukommen würde?

Hubert Tintelott: Die Leute erwarten sich durch die Unabhängigkeit die Lösung aller wirtschaftlichen Probleme. Und die wirtschaftlichen Probleme sind ja die: 43 Prozent der Menschen sind arbeitslos. Das heißt ein Großteil der Menschen, die in diesem Land leben, haben Abhängigkeiten von Verwandten, die irgendwo in Europa oder sonst in der Welt leben, die regelmäßig Geld überweisen. Der Zusammenhalt in den Familien, das habe ich immer wieder erleben können, ist sehr eng. Wenn ein Bruder in Deutschland Arbeit findet, muss er die Angehörigen daheim weiter unterstützen.

domradio: Erwarten die Menschen, dass sich das jetzt ändern wird?

Hubert Tintelott: Ja, man erwartet, dass jetzt die großen Investitionen ins Land hineinströmen, weil man gesagt hat: Bisher wurden keine Investitionen vorgenommen wegen der unsicheren Situation. Es war nicht klar, in welche Richtung sich der Kosovo bewegen würde. Jetzt meint man: Wenn wir eine politische Stabilität haben, werden auch die großen Investitionen kommen: Und die große Frage ist, ob das passieren wird. Fachleute sind sehr skeptisch.

domradio: Welche Gründe gibt es denn für die Armut im Land?

Hubert Tintelott: Nach dem Zusammenbruch des Systems der Zentralverwaltungswirtschaft im ehemaligen Jugoslawien hat man die Wirtschaft zwar privatisiert. Dennoch ist es nicht gelungen für die Produkte, die im Land hergestellt werden, auch Absatzmärkte zu schaffen. Es wurde nicht investiert, Die Weinberge beispielweise liegen brach. Sie werden nicht genutzt, weil die Rechtsverhältnisse nicht klar sind. Die Bauern, die früher in einer großen Kolchose zusammen waren, die früher ihre Produkte nach ganz Europa exportiert haben, besitzen keine Absatzmärkt mehr.

domradio: Angesehen von der Armut - wie haben Sie das Land erlebt?

Hubert Tintelott: Auf der einen Seite faszinieren. Der Kosovo ist ein wunderschönes Land. Ich erinnerte mich an meine Karl May Lektüre aus der Jugend: "Durch die Schluchten des Balkans." Man kann das wirklich dort erleben. Wunderschöne Landschaften. Ein bisschen störend beim sonst landschaftlich so schönen Anblick: Teilweise sind die Felder übersäht mit Plastikmüll.
Die Städte sind sehr lebendig. Man ist überrascht von Leben auf den Straßen, davon, wie viele junge Menschen präsent sind. Aber sie sind auch auf den Straßen präsent, weil sie keine Arbeit haben. Gerade bei den jungen Menschen ist das ganz dramatisch.