Zentralrat der Juden kritisiert Umgang mit Nazi-Verbrechen

Halbherzig und scheinheilig?

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat die Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit in der Bundesrepublik als "halbherzig und scheinheilig" kritisiert. Weder Politik noch Justiz seien ernsthaft Hinweisen nachgegangen, um die Täter von damals vor Gericht zu bringen.

 (DR)

Der Fall von Massenmörder Martin Sandberger, der unbehelligt in einem deutschen Seniorenstift gelebt habe, mache erneut deutlich, wie gering das Interesse an der Verfolgung von Nazi-Verbrechen in Deutschland in all den Jahren gewesen sei, sagte Generalsekretär Stephan Kramer der in Landau erscheinenden «Rheinpfalz am Sonntag».

"Spottet jeder Beschreibung"
Die Behauptung, die Bundesrepublik habe die Vergangenheit mustergültig aufgearbeitet, spotte jeder Beschreibung. «Das betrifft sowohl die Verfolgung der Täter als auch die Entschädigung der Opfer», betonte Kramer. Es sei geradezu absurd, wenn hochbetagte Überlebende des Holocaust juristisch um ihre Entschädigung kämpfen müssten, «aber ihre Mörder in Deutschland gut versorgt ihren Lebensabend verbringen.» Auch sei es in hohem Maße unglaubwürdig, einerseits die Stasi-Täter zu verfolgen und bei Nazi-Verbrechen wegzuschauen.

Zugleich forderte Kramer von der Bundesregierung größere Anstrengung bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus. Es sei unverantwortlich, gegen Islamismus und Linksextremismus verstärkt vorzugehen, die Gefahren von rechts aber zu übersehen. Es gebe keinerlei Anlass, Entwarnung bei der Bekämpfung der Neonazis zu geben. Vor allem Union und Liberale verharmlosten die von der rechten Szene ausgehende Bedrohung. Kramer schlug vor, einen «Bundesbeauftragen für den Kampf gegen Extremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit» einzusetzen.