Zentralratspräsident Schuster warnt vor Judenfeindlichkeit

"Niemand wird als Antisemit geboren"

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat Antisemitismus und Rassismus als "Todfeinde der Demokratie" bezeichnet. Beide zielten zwar auf bestimmte Gruppen, letztlich aber auf die gesamte Gesellschaft.

Schuster: Antisemitismus und Rassismus sind Todfeinde der Demokratie / © Karolis Kavolelis (shutterstock)
Schuster: Antisemitismus und Rassismus sind Todfeinde der Demokratie / © Karolis Kavolelis ( shutterstock )

 

Schuster äußerte sich auf einer im Internet übertragenen Veranstaltung des Deutschen Volkshochschul-Verbandes anlässlich des zu Ende gehenden Festjahres "1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland".

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden / © Michael Kappeler (dpa)
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden / © Michael Kappeler ( dpa )

Juden seien keineswegs nur ab und zu mit Antisemitismus konfrontiert oder extremen Formen wie dem Anschlag auf die Synagoge in Halle ausgesetzt. Schuster erinnerte an Populisten, Erfolge der AfD und Antisemitismus etwa auf Corona-Demonstrationen.

Er sprach darüber hinaus christlich geprägten Antijudaismus über Jahrhunderte hinweg an, etwa in Form von Schmähplastiken an Kirchen wie in Wittenberg. Zugleich hätten die beiden großen Kirchen aber auch viel getan gegen Antisemitismus. Schuster betonte, dass heutzutage insgesamt viele Juden sich aus Furcht nicht trauten, ihre Identität offen zu leben.

Bedeutung lebenslangen Lernens

Schuster unterstrich auch die Bedeutung lebenslangen Lernens. Dies sei wichtiger denn je, sagte Schuster und nannte in dem Zusammenhang unter anderem die Infragestellung von europäischen Werten, den Klimawandel sowie die Tatsache, dass derzeit so viele Menschen weltweit auf der Flucht seien wie niemals zuvor.

Solche Veränderungen und Entwicklungen könnten Menschen verunsichern, die dann nach einfachen Antworten suchten. So erhielten Populisten mitunter reichlich Zustimmung, auch in Parlamenten. Ebenso erinnerte Schuster an Verschwörungserzählungen, die etwa auf Demonstrationen gegen staatliche Coronamaßnahmen verbreitet worden seien. Manches mute mittelalterlich an - ebenso, dass Juden mitunter Sündenböcke für vermeintlich Unerklärliches wie die Corona-Pandemie gemacht würden. "Das ist für unsere Gesellschaft, insbesondere für die jüdische Gemeinschaft, eine gefährliche Entwicklung."

Antisemitismus

Antisemitismus nennt man die offen propagierte Abneigung und Feindschaft gegenüber Juden als Volksgruppe oder als Religionsgemeinschaft. Der Begriff wird seit dem 19. Jahrhundert gebraucht, oft als Synonym für eine allgemeine Judenfeindlichkeit. Im Mittelalter wurden Juden für den Kreuzestod Jesu verantwortlich gemacht und als "Gottesmörder" beschuldigt. Während der Kreuzzüge entlud sich die Feindschaft in mörderischen Ausschreitungen, Vertreibungen und Zwangsbekehrungen.

Teilnehmende einer Demonstration zur Solidarität mit Israel / © Michael Kappeler (dpa)
Teilnehmende einer Demonstration zur Solidarität mit Israel / © Michael Kappeler ( dpa )

Vielfältiges Judentum kennenlernen

Schuster betonte: "Niemand, kein Kind, wird als Antisemit geboren." Da entsprechende Prägungen schon in Schulen vonstatten gehen könnten, müsse in der Bildung angesetzt werden: "Wir brauchen Aufklärung und Bildung." Im Judentum sei lebenslanges Lernen fest verankert. Auch die Volkshochschulen (VHS) stünden für diesen Wert. Dort habe es im noch bis Mitte des Jahres laufenden Festjahr viele Veranstaltungen gegeben: Literatur, Kabbala, jiddische Sprache, koschere Küche, Hochschulwesen und vieles mehr.

So könnten Menschen Judentum in seiner Vielfalt kennenlernen. Schuster gab zu bedenken: Einerseits müsse die Erinnerung an die Schoah, die Vernichtung der Juden im Zweiten Weltkrieg, wachgehalten werden. Andererseits müsse verhindert werden, dass Juden ausschließlich als "Phänomen" und Opfer wahrgenommen würden. Es sei Aufgabe von Bildung zu vermitteln, dass jüdisches Leben mehr als Holocaust und Nahostkonflikt sei und Juden "handelnde Menschen" einer 1.700-jährigen Geschichte seien. Dafür sei es unerlässlich, Juden und deren Perspektiven kennenzulernen. Auch in Integrationskursen sollte entsprechendes Wissen vermittelt werden.

Integration von Flüchtlingen

Bei der Betreuung und Integration von Flüchtlingen aus der Ukraine spielen die jüdischen Gemeinden in Deutschland nach den Worten Schusters eine wichtige Rolle. Jüdische Gemeinden kümmerten sich derzeit um zahlreiche Kriegsflüchtlinge, auch um nichtjüdische, sagte Schuster.

Viele Angehörige jüdischer Gemeinden hätten russische und auch ukrainische Sprachkenntnisse und Erfahrung mit dem Thema Integration. Zugleich sei es aber auch so, dass Menschen aus der Ukraine oftmals Verwandte und Freunde und damit eine feste Anlaufstelle in Deutschland hätten.

 

Quelle:
KNA