Zollitsch und Huber bekräftigen Unterschiede in Stammzell-Debatte - Vereint gegen Spätabtreibungen

Abweichende Positionen

Bei ihrem ersten gemeinsamen öffentlichen Auftritt haben der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, und der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, ihre unterschiedlichen Positionen in der Stammzell-Debatte bekräftigt. Gemeinsam fordern beide Kirchen jedoch Gesetzesänderungen bei Spätabtreibungen.

 (DR)

Zollitsch sagte vor Journalisten: "Ich hätte mir gewünscht, wir hätten eine gemeinsame Position konsequent vertreten." Für die katholische Kirche sei "das Leben unverfügbar". Daher lehne sie die Forschung mit embryonalen Stammzellen ab und könne folglich auch einer Stichtagsregelung für den Import solcher Zellen nicht zustimmen. Hier gebe es "Unterschiede zwischen einem katholischen und einem evangelischen Bischof", so der Freiburger Erzbischof.

Huber argumentierte, die einmalige Verschiebung des Stichtages, für die er sich bereits 2006 ausgesprochen hatte, erhalte den Stammzell-Kompromiss des Bundestages von 2002. Die Grundlagenforschung mit embryonalen Stammzellen sei erforderlich, um in der ethisch unbedenklichen Erforschung der Möglichkeiten adulter Stammzellen Fortschritte zu erzielen. Es sei nicht redlich, diesen Zusammenhang zu verkennen, so Huber.

Er betonte, dass sich beide Kirchen strikt gegen die Züchtung und Tötung von Embryonen zu Forschungszwecken stellen. Auf dieser Basis könnten Christen dennoch im Einzelnen zu unterschiedlichen Meinungen kommen, sagte Huber. Der Bundestag will nach Ostern über eine Lockerung des Stammzellgesetzes entscheiden. Bisher dürfen deutsche Forscher nur Zelllinien benutzen, die vor 2002 im Ausland entstanden
sind.

Kirchen fordern Änderung bei Spätabtreibungen
Die beiden großen Kirchen in Deutschland haben die Politik nachdrücklich aufgefordert, die Regelungen für Spätabtreibungen ändern. Bischof Huber, sprach von einem "inakzeptablen Missstand". Erzbischof Zollitsch kritisierte eine gewaltige Lücke im Gesetz.

Es könne nicht heißen, dass heutzutage nur noch absolut gesunde Kinder das Licht der Welt erblicken dürfen, meinte der Erzbischof. Die katholische Kirche würde sich noch andere Änderungen bei der Abtreibungsgesetzgebung wünschen, dieser Punkt sei aber am drängendsten. Huber sagte, die Kirchen appellierten seit langem an den Gesetzgeber. Die jetzige gesetzliche Regelung lasse es zu, dass bereits lebensfähige Föten getötet werden könnten. Er habe die feste Erwartung, dass die große Koalition dem so bald wie möglich ein Ende bereite. Das habe er in dieser Woche bei einem Spitzengespräch auch den Fraktionsvorsitzenden von Union und SPD deutlich gemacht.

Als Spätabtreibungen gelten Schwangerschaftsabbrüche, die nach der 23. Woche vorgenommen werden. Seit der Neufassung der Abtreibungs-Gesetzgebung im Jahr 1995 kann ohne Einhaltung von Fristen und ohne Beratung bei einer zu erwartenden Behinderung eines Kindes ein Abbruch vorgenommen werden. Die Bundesärztekammer, die vor wenigen Tagen gleichfalls eine rasche Gesetzesänderung verlangte, und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe fordern eine medizinische Beratungspflicht sowie das Angebot einer psychosozialen Beratung. Ferner sollten zwischen Diagnose und Eingriff mindestens drei Tage liegen. Den Eingriff dürfe aber nicht der beratende Arzt vornehmen.

In dieser Legislaturperiode gab es bereits wiederholt Gespräche über Änderungskonzepte, die bislang ergebnislos blieben. Auch in den vergangenen Legislaturperioden kamen Initiativen zu einer Gesetzesänderung nicht zu einem parlamentarischen Ergebnis. Nach Angaben der Bundesärztekammer kommt es jährlich im Schnitt zu 180 Spätabtreibungen in Deutschland.