Zollitsch: Wir sind mit Gesprächsprozess auf einem guten Weg

Mission mit Liturgie

Erzbischof Robert Zollitsch zieht eine positive Halbzeitbilanz des Gesprächsprozesses. Im domradio.de-Interview erklärt er, wie sich die Liturgie ändern muss, um nah bei den Menschen und in der Welt verankert zu sein.

Erzbischof Zollitsch (dpa)
Erzbischof Zollitsch / ( dpa )

domradio.de: Herr Erzbischof, diese Tage in Stuttgart standen ganz im Zeichen der Liturgie. Welche Impulse nehmen Sie mit aus diesen Tagen?

Zollitsch: Wir haben uns dem zentralen Thema unserer Kirche gewidmet, nämlich: die Feier der Liturgie. Wie wir Gott verehren, wie wir uns von Gott beschenken lassen, welche Rolle Gott in unserem Leben spielt und wie wir das tun können. Wir haben entdeckt, dass es eine große Vielfalt an liturgischen Formen gibt und als wir die zusammengetragen haben, haben wir gespürt, wie wir uns gegenseitig damit beschenken können. Wie einerseits die Hochform dessen, was Liturgie für uns, die Feier der Eucharistie, die Quelle und Höhepunkt unseres Lebens ist. Wir haben die andere Vielfalt der Formen, angefangen vom Stundengebet bis zu verschiedenen Wortgottesfeiern bis zum Rosenkranzgebet, all das neu entdecken dürfen und wir haben entdecken dürfen, dass es durchaus verschiedene Formen der Segnungen gibt, die Eltern spenden können, die Laien einander spenden können und wir haben gespürt, wenn wir das alles neu ins Bewusstsein rufen merken wir, welch großes Geschenk unsere Liturgie für uns bedeutet.

domradio.de: Wie sehen Sie die Zukunft der Liturgie?

Zollitsch: Wir spüren Liturgie ist ein sehr sensibles Thema, weil auch jedes Mal nicht nur der Verstand, sondern auch das Herz und das Gemüt angesprochen werden. Da muss man auch schauen, wenn wir Formen verändern, dass wir den Menschen nicht die Heimat nehmen, die sie auch mit dieser Weise der Feier der Liturgie gefunden haben. Wir müssen aber auch schauen, wie wir mit neuen Formen, auch neue Menschen ansprechen können oder auch Menschen neu ansprechen können. Darum ist es nie gut, wenn man kleinlich an ganz bestimmten Formen klebt und die Form alles bestimmt. Es ist aber auch wichtig, dass wir einen Rahmen haben und die Leute, auch wenn sie Liturgie feiern, wissen, da bin ich zu Hause, das ist bekannt, da kann ich wirklich mitfeiern und muss mich nicht immer wundern, was da alles an Neuem geschieht.

domradio.de: Ein Thema in Stuttgart war auch, wie die Welt in die Liturgie kommt. Haben Sie da Impulse bekommen, wie wir das in den nächsten Jahren besser schaffen können?

Zollitsch: Das ist zweifellos ein sehr wichtiges Thema, denn wir feiern Liturgie nicht im abgeschlossenen Raum für uns. Was uns bewegt, was unser Leben bestimmt, gehört in die Liturgie mitherein. Das wollen wir vor Gott tragen. Ob nun das schon in die Einführung in die Heilige Messe oder in besonderen Gottesdiensten, die ganz bestimmte Themen aufgreifen, geschieht. Da denke ich etwa daran, wie Papst Franziskus dazu eingeladen hat, speziell für Syrien zu beten. Das ist so ein Gottesdienst, wo die Welt in die Kirche hereinkommt. Wir haben aber auch die Gottesdienste, die wir bei bestimmten Anlässen feiern bis hin wenn jemand gestorben ist und wir haben die große Chance etwa in den Fürbitten aktuelle Ereignisse aufzugreifen und sie vor Gott zu tragen. Mit den neuen Bundesländern erleben wir, dass dort ganz bestimmte Formen der Liturgie gefeiert werden für Menschen, die bisher wenig Ahnung von Liturgie hatten oder wo vielleicht die Mehrheit derer, die dabei sind, zum ersten Mal einen katholischen Gottesdienst mitfeiert. Wir brauchen auch Angebote, die niederschwellig sind und den Leuten einen Zugang zum Heiligen ermöglichen, dass sie etwas von dem ganz Großen ahnen, dass wir Menschen nur schwer begreifen können. Das ist zugleich eine missionarische Tat durch die Liturgie.

domradio.de: In wieweit ist die Art und Weise wie Papst Franziskus Liturgie feiert, wie er die Kirche leitet auch Vorbild?

Zollitsch: Seine Weise Liturgie zu feiern betont die Schlichtheit und er möchte in der Schlichtheit der Form, auch in der Schlichtheit der Kleidung etwas von dem zum Ausdruck bringen, dass wir uns demütig Gott nähern und dass es darum geht, dass Gott zum Aufleuchten kommt und nicht wir die menschliche Schönheit und Herrlichkeit betonen und die Art und Weise. Ich habe es selbst erlebt bei meinem letzten Besuch in Rom wie er Gottesdienst feiert. Er ist sehr in sich gesammelt und er weiß aus der Situation heraus, die Menschen anzusprechen und er schafft zugleich Gemeinschaft vor Gott.

domradio.de: Kann man sagen, den Impuls, den Papst Franziskus gesetzt hat, hat vielleicht die Kirche auch gebraucht?

Zollitsch: Es ist sicher wichtig, dass auch ein Papst zeigt, dass gerade die schlichte, einfache Form der Liturgie uns näher zu Gott führt. Wenn wir die Hochform feiern, dass es wichtig ist, dass der Mensch bei Gott ist, dass wir angesprochen sind, dass wir spüren, in diesen Worten bin ich verstanden, da kann ich mich verständlich machen, da komme ich Gott näher.

domradio.de: Der Dialogprozess ist auf fünf Jahre angelegt. Jetzt ist in Stuttgart das dritte Jahr erreicht, es ist die Zeit für eine Halbzeitbilanz. Sind Sie zufrieden mit dem, was geschehen ist und wie soll es dann weitergehen in den nächsten beiden Jahren?

Zollitsch: Ich habe von Anfang an damit gerechnet, dass es ein langer Prozess ist, darum haben wir ihn auch auf fünf Jahre angelegt. Einerseits wollen wir viele Menschen mitnehmen, das braucht Zeit. Wir wollen die Diözesen mitnehmen, damit sie auch einsteigen können und wir wollen auch schauen, wie wir die Themen, die anstehen, auch wirklich gründlich behandeln können. Ich bin froh über das, was bisher geschehen ist. Wir sind auf einem guten Weg.  Wir haben eine neue Gesprächskultur in der Kirche in Deutschland erfahren dürfen und in die Tat umgesetzt. Das ist für mich ein großes Geschenk. Wir haben uns im vergangenen Jahr der großen Frage gewidmet, wie ist die Präsenz der Kirche des Evangeliums in unserer Gesellschaft, wie können wir uns intensiv einbringen. Dieses Jahr die Mitte dessen, was unseren Glauben ausmacht: die Feier der Liturgie. Im kommenden Jahr werden wir uns der Frage der Verkündigung des Evangeliums in der heutigen Zeit aussetzen. Denn es geht tatsächlich um die Frage, wie kommt Gott in der heutigen Welt vor, wie machen wir verständlich, was Gott für uns bedeutet, welches Geschenk das Evangelium ist. Ein Geschenk, das zeigt, dass es sich dafür zu leben sich lohnt. Wir werden 2015 versuchen, Bilanz zu ziehen. Wir wissen, dass der Weg des Glaubens und der Pilgerweg noch längst nicht zu Ende ist, sondern dass wir dort mal statio halten und besinnen und dann mal schauen, wie wir den Weg in der Zukunft weitergehen. Bis jetzt bin ich sehr zuversichtlich, dass wir diesen Weg eingeschlagen haben und bin dankbar, dass so viele mitmachen.

domradio.de: Bei der Halbzeitbilanz hat der Präsident des Zentralkomitees der Katholiken, Alois Glück, gesagt, er richtet die eindringliche Bitte an die Bischöfe, noch einmal etwas zu tun in der Frage der wiederverheirateten Geschiedenen. Sehen Sie das vielleicht auch als das drängendste Problem?

Zollitsch: Die drängendste Frage ist für mich die Frage nach Gott und wie der Glaube in die Herzen der Menschen kommt, wie wir im Evangelium das Ziel unseres Lebens finden. Bei den konkreten Fragen sind eine ganze Reihe da. Wir haben das letztes Jahr in Hannover intensiv besprochen und die Bischofskonferenz hat eine eigene Arbeitsgruppe eingesetzt, um sich mit der Frage der Seelsorge an den wiederverheirateten Geschiedenen zu befassen. Wir spüren dadurch, dass immer mehr Ehen scheitern, etwa ein Drittel, heißt das, diese Frage ist viel drängender geworden als früher. Wir befassen uns mit ihr. Da hat uns ja auch Papst Franziskus eine Ermutigung zugesprochen, in dem er sagte, auch die Kurie der Kardinäle wird in Rom der Frage nachgehen. Das heißt wir sind hier gemeinsam auf einem Weg in die Zukunft.

Das Interview führte Matthias Friebe


Quelle:
DR