2014 wird ein interessantes Jahr für die größte männliche Ordensgemeinschaft der katholischen Kirche mit ihren rund 17.500 Mitgliedern. Seit nun fast einem Jahr wird die Weltkirche erstmals in der 450-jährigen Ordensgeschichte von einem ihrer Ordensbrüder regiert. Papst Franziskus überrascht fast jeden Tag aufs Neue mit einem Wort oder einer Aktion - und verschafft damit nicht nur der katholischen Kirche insgesamt, sondern auch seinem Orden eine besondere Aufmerksamkeit.
Die deutschen Jesuiten können zudem in diesem Jahr auf 200 Jahre Bestehen seit ihrer Neugründung 1814 zurückblicken - und sie tun das mit zahlreichen neu gesicherten historischen Erkenntnissen.
Umfassendes Werk von Kirchenhistoriker Schatz SJ
Der Ordensmann und Kirchenhistoriker Klaus Schatz hat zum Jubiläum eine umfassende "Geschichte der deutschen Jesuiten" vorgelegt. Und umfassend ist nicht dahergesagt: Fünf Bände und über 2.100 Seiten sind die Frucht von rund 15.000 Stunden Arbeit, wie der Pater, emeritierter Professor für Kirchengeschichte an der Philosophisch-Theologischen Ordenshochschule Sankt Georgen in Frankfurt, errechnet hat.
Das kann man nur schaffen, wenn man keine Familie hat, mag mancher denken. Doch das Gegenteil ist der Fall, wie man im Gespräch mit dem Pater und noch mehr bei der Lektüre erspüren kann: Eben weil der Autor in seinem Orden eine Familie hat, ist dieses Arbeit möglich geworden. 1998 ging Schatz an die Arbeit: im offiziellen Auftrag der damals noch zwei Provinziale - 2004 wurden die deutschen Provinzen vereinigt - aber aus eigener Initiative, wie er betont.
Den zeitlichen Rahmen setzen die Jahre zwischen der Schweizer Neugründung des Ordens 1814 sowie der Beginn der Amtszeit von Ordensgeneral Kolvenbach (1983-2008). Um noch weiter in die unmittelbare Gegenwart des Ordens vorzudringen, dafür fehlte dem Autor nach eigener Aussage der "geforderte Mindestabstand".
Den gesamten fünften Band, der allein 500 Seiten umfasst, nehmen neben Statistiken, einem Glossar und Personen-, Orts- und Sachregister die Biogramme von rund 1.500 Jesuiten ein, darunter auch jener großen, die die deutschsprachige Theologie und Kirche des 20. Jahrhunderts maßgeblich mitgeprägt haben: Karl und Hugo Rahner, Oswald von Nell-Breuning, Alfred Delp, Augustin Bea, Johannes Leppich oder Mario von Galli.
Ordensgeschichte trifft politische Zeitgeschichte
Allein diese Signalnamen deuten schon an, was hier - vom Wiener Kongress über den Kulturkampf in Preußen und das Dritte Reich bis hin zum Zweiten Vatikanischen Konzil und der nachkonziliaren Krise und Konsolidierung der Kirche - alles behandelt wird. Über den gesamten Zeitraum wird deutlich, wie sehr sich auch die Ordens-, Institutionen- und Personengeschichte immer zwischen den Leitplanken der allgemeinen Kirchengeschichte und der politischen Zeitgeschichte bewegt.
Nicht nur der deutschsprachige Raum steht im Fokus; auch die zeitweiligen Missionen der deutschen Jesuiten werden behandelt: in Skandinavien und in Übersee, etwa die Bombay-Mission in Indien, die sogenannte Buffalo-Mission in den USA, in Südbrasilien, Japan und Rhodesien, dem heutigen Simbabwe.
Spannend ist zu beobachten, wie in bestimmten Phasen die vielbeschworene Einheit der "Gesellschaft Jesu", die doch aus so vielen hoch begabten Individualisten besteht, Risse bekommt und Differenzen innerhalb des Ordens aufbrechen. Das gilt etwa für die Auseinandersetzungen um "Modernismus" und "Integralismus" zu Beginn des 20. Jahrhunderts oder in den Jahren der Neuorientierung nach dem Zweiten Vatikanum, in denen der Orden auch in die Auseinandersetzung um die vor allem lateinamerikanische Theologie der Befreiung geriet und eine seiner schwersten Krisen durchlebte.
Der erste "weiße Papst"
Dies sind die Jahre, in denen auch der junge Jesuit Jorge Mario Bergoglio seine theologische Prägung erhielt. Der Autor Klaus Schatz steht kurz vor Vollendung seines 76. Lebensjahres - und ist damit fast derselbe Jahrgang wie der erste "weiße Papst" aus der Gesellschaft Jesu (die Ordensgeneräle der Jesuiten werden wegen ihrer einstigen Machtfülle auch als "schwarze Päpste" bezeichnet). Schatz beschreibt und analysiert anschaulich wie detailliert eine Geschichte, die er zu einem nicht geringen Teil selbst miterlebt hat. Seinem Orden hat er damit einen bleibenden Dienst erwiesen.