DOMRADIO.DE: Was hat es mit dem Katakomben-Pakt aus dem Jahre 1965 auf sich?
Pater Michael Heinz (Adveniat-Hauptgeschäftsführer): Das war ein Treffen, ein Zusammenschluss sozusagen, von erst mal nur 40 Bischöfen, die in der Domitilla-Katakombe, wo wir auch am Sonntag waren, eine Eucharistie gefeiert haben und sich dann in einem Papier verpflichtet haben, für eine dienende und arme Kirche da zu sein.
Das war eine persönliche Selbstverpflichtung, sie haben das aber auch als Gruppe gemacht. Danach haben sich weitere Bischöfe angeschlossen. Insgesamt haben rund 200 Bischöfe diesen Pakt unterschrieben und haben dann versucht, eben diese "Option für die Armen", wie sie später in Lateinamerika genannt wurde, persönlich und auch in ihren Bistümern mit den Menschen dort zu leben.
DOMRADIO.DE: Ist das nicht eigentlich etwas, was Bischöfe sowieso immer tun sollten - unluxuriös mit den Armen leben?
Heinz: Ja, da mögen Sie recht haben. Aber das ist ja auch nicht immer so, weil wir uns ja gerade hier in Deutschland und in Europa von unserem Lebensstil auch immer wieder als Kirche mehr und mehr anpassen. Die Frage des Lebensstils beschäftigt uns auch, wenn wir jetzt bei der Amazonas-Synode über Umweltschutz und Klimaänderungen reden.
Das ist sicherlich ein Punkt, den wir uns nochmal als Kirche insgesamt anschauen müssen. Wie ist das überhaupt? Wo sind denn die Armen bei uns? Und was hat das überhaupt mit dem Lebensstil von einem jeden Einzelnen von uns zu tun? Ich glaube, da können wir noch etwas dran arbeiten.
DOMRADIO.DE: Wer hat sich am 20. Oktober in den Katakomben getroffen und wie lief das ab?
Heinz: Im Vergleich zu dem damaligen Treffen vor über 50 Jahren war das eine recht bunt gemischte Gruppe vor allen Dingen von Teilnehmern der Amazonas-Synode, die ja auch diese Woche noch hier stattfindet. Das waren Bischöfe aus den verschiedenen Ländern Lateinamerikas wie Brasilien, Kolumbien, Peru. Aber da waren auch Priester dabei, viele Ordensleute, Frauen und Männer, Vertreter der indigenen Völker, die sich erst mal getroffen haben und dann Gottesdienst gefeiert haben. Das war ein sehr bewegender Gottesdienst, dem Kardinal Claudio Hummes vorgestanden hat.
Am Ende des Gottesdiensts fand dann die Unterzeichnung dieses neuen Dokumentes statt. Damals hieß es ein Pakt für eine "dienende und arme Kirche" und nun "ein Pakt für das gemeinsame Haus", sozusagen eine Erweiterung zu damals. Wir wollen ja unser gemeinsames Haus, unseren Planeten, die Schöpfung Gottes schützen.
DOMRADIO.DE: Jetzt steht dieser Katakomben-Pakt in der Tradition des Zweiten Vatikanischen Konzils, also auch mit seinen Bekenntnissen zu Religionsfreiheit und Ökumene. Was bedeutet das?
Heinz: Das heißt, dass auch Vertreter verschiedener Kirchen anwesend waren. Es war ja eine recht spontane Entscheidung, von daher haben wir uns auch sehr gefreut, dass auch andere Kirchen den Pakt auch nicht nur mitgefeiert, sondern auch als Zeichen der Ökumene mit unterzeichnet haben, die wir ja auch in Lateinamerika zaghaft leben. An der Basis sieht es da anders aus als in höheren Ebenen.
Aber das heißt auch, dass wir für die Religionsfreiheit – auch ganz besonders im Amazonasraum – eintreten und deswegen auch die Völker und Menschen mit ihren Traditionen und Religionen hören wollen. Die Synode ist eine hörende Synode. Es wird sehr viel Wert darauf gelegt, dass gerade die indigenen Völker und die Vertreter der verschiedenen Kirchen zu Wort kommen. Das geschieht auch, das habe ich selbst in der letzten Woche so erlebt.
DOMRADIO.DE: Inwieweit würden Sie sich wünschen, dass solche Pakte oder Bekenntnisse auch von Politikern, zum Beispiel aus Brasilien, geschlossen werden?
Heinz: Das wäre ein zweiter großer Schritt. Ich glaube, der Pakt wird jetzt erst mal innerkirchlich mehr oder weniger zirkulieren. Man wird da darüber reden. Vielleicht gibt es noch viele Menschen, die sich dem Pakt persönlich oder auch in Gruppen, Gemeinschaften und Gemeinden anschließen und ihn leben wollen. Es geht ja da vor allen Dingen um die Option für die Armen, aber auch um die Optionen und den Schutz für das gemeinsame Haus – alles, was mit Umwelt und Klima zu tun hat. Ein ganz wichtiges und ganz aktuelles Thema.
Aber ich denke, das wäre sicherlich eine Herausforderung, einfach mal zu überlegen, ob man Politikern, unserer Bundesregierung oder anderen Gruppen den Pakt mal vorlegen könnte, und hört, was Sie dazu sagen. Das wäre vielleicht etwas, was wir auch nochmal aufgreifen können hier in der Synode, dass jeder das sozusagen als Hausaufgabe mitnimmt und das den eigenen Politikern und der eigenen Regierung vorlegt, was sie davon halten und ob sie sich dem anschließen können und wollen.
DOMRADIO.DE: Die Amazonas-Synode, die gerade läuft, geht am kommenden Wochenende zu Ende. Erwarten Sie eigentlich da große Neuerungen in der Kirche?
Heinz: Das Thema der Synode ist, neue Wege für eine Kirche zu bereiten, die auch die integrale Ökologie beinhalten, also sowohl das Thema Umweltschutz als auch Thema Schutz der indigenen Völker, die im Amazonasgebiet leben. Da wird sich sicherlich einiges tun. Es werden, glaube ich, mehr Prozesse angestoßen, die dann in Gang kommen, als dass man jetzt groß eine Änderung erwarten wird.
DOMRADIO.DE: Es wird ja auch zum Beispiel über eine Lockerung des Zölibats diskutiert.
Heinz: Man redet im Moment weniger von einer Lockerung des Zölibats als vielmehr darum, dass verheiratete Männer, die ja schon als Gemeindeleiter in den kleinen Dörfern tätig sind, auch zum Beispiel geweiht werden können, um die Eucharistie zu feiern. Dass wäre dann mehr oder weniger eine Ausnahme. Aber da wird der Zölibat eigentlich nicht angetastet.
Man redet im Moment nicht darüber, den Zölibat aufzulösen oder zu lockern, sondern eher darüber, dass man Ausnahmen schafft, damit Männer auch geweiht werden können, um zu garantieren, dass die Menschen im Amazonasgebiet dann wirklich jeden Sonntag auch die Eucharistie feiern können, so wie wir das auch in Deutschland gewohnt sind.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.