domradio.de: Der Krieg in Syrien nimmt kein Ende, Unruhen weltweit, Terror in Istanbul am Weltfriedenstag der katholischen Kirche. Man könnte meinen, es ist aktueller denn je, sich für den Frieden zu engagieren. Wie läuft das ab?
Pfarrer Matthias Leineweber (Gemeinschaft Sant'Egido): Wir laden alle ein, die sich für den Frieden engagieren wollen. In verschiedenen Städten weltweit, in denen Sant'Egido tätig ist, treffen wir uns. Wir wollen die Initiative des Papstes unterstützen und bekannt machen. Es ist uns wichtig, darauf hinzuweisen, dass es noch in vielen Ländern Konflikte und Kriege gibt. Wir wollen daran erinnern, dass der Friede ständig eine Aufgabe von uns Menschen bleibt. Wir möchten das neue Jahr mit Schritten des Friedens beginnen, um zu zeigen, dass wir uns auch in diesem Jahr dafür einsetzen wollen.
domradio.de: "Schritte des Friedens" heißt also Friedensmarsch?
Leineweber: Genau, wir gehen durch die verschiedenen Fußgängerzonen verschiedener Großstädte. Wir haben Schilder dabei, erinnern mit den Namen an die Länder, die betroffen sind.
domradio.de: Welche sind das zum Beispiel?
Leineweber: Zum Beispiel Syrien, oder die Zentralafrikanische Republik, oder Somalia – die Konflikte sind uns hier noch recht bekannt. Aber zum Beispiel sind auch Länder dabei, mit eher vergessenen Konflikten: Nagorny-Karabach etwa.
domradio.de: …Im Frühjahr des vergangenen Jahres kam es dort zu heftigsten Zusammenstößen zwischen armenischen und aserbaidschanischen Truppen im Konflikt um Nagorny (Berg-)Karabach. In dem Sezessionskonflikt geht es um Gebiete um den Berg-Karabach…
Leineweber: Oder auch andere Länder wie Mindernau auf den Philippinen. Dort wurde ein Friedensabkommen geschlossen, aber das muss noch umgesetzt werden. Und für diese bekannten und unbekannten Konflikte und Kriege sammeln wir Unterschriften, um sie dem Papst zukommen zu lassen und zu zeigen, dass viele das unterstützen.
domradio.de: Aber nicht nur in Deutschland gedenkt man so an die vielen Krisenherde auf der ganzen Welt, sondern auch in den betroffenen Ländern selbst…
Leineweber: Genau. In 70 Ländern, auch in Ländern, in denen es nicht einfach ist, bekunden viele Menschen, dass sie die Papstbotschaft unterstützen. In Pakistan etwa, in dem Terrorismus und gewaltsame Proteste immer wieder aufflammen, schließen sich die Menschen den Märschen an. Oder auch im Kongo setzen die Menschen sich ein. Dort ist derzeit eine Regierungskrise ausgebrochen, weil der Präsident nicht zurücktreten will. In Ruanda, wo es den Genozid gegeben hat oder in der Zentralafrikanischen Republik selbst, gehen Menschen beim Friedensmarsch mit. Aber auch in Kolumbien, wo nach 52 Jahren in diesem Jahr der Frieden geschlossen wurde. Jetzt müssen die Waffen abgeben werden, der Frieden muss umgesetzt werden. Auch solche Prozesse wollen wir weiter unterstützen. Dort werden unsere Gemeinschaften auch auf die Straße gehen und sagen: "Wir wollen auch in der Zivilgesellschaft mithelfen, dass der Friede auch stabil wird."
domradio.de: Der Frieden in der Welt ist auch für Papst Franziskus ein großes Anliegen. Mit Blick auf die Konflikte und sozialen Ungerechtigkeiten hat er wiederholt von einem "Dritten Weltkrieg auf Raten" gesprochen. Harte, aber klare Worte, die der Papst da gefunden hat…Sehen Sie das auch so?
Leineweber: Leider muss ich dem zustimmen. Ich würd es nicht so gerne machen, aber ich muss. Wenn man sieht, was in Aleppo passiert, die Art von Bombardierungen und Zerstörung und Rücksichtlosigkeit, das alles hat Weltkriegsdimensionen angenommen. Auch in anderen Ländern kann man so etwas beobachten. Die Rhetorik erinnert mich manchmal daran, was vor hundert Jahren vor dem ersten Weltkrieg passiert ist. Man spielt wieder mit diesen Worten: "Krieg führen". Man hat diesen Krieg wieder als Mittel der Politik rehabilitiert, nachdem man nach dem zweiten Weltkrieg gesagt hat, das darf nicht mehr passieren.
domradio.de: Was haben Sie sich für das neue Jahr vorgenommen?
Leineweber: Wir beziehen viele Neueuropäer – so nennen wir die Flüchtlinge, die zu uns gekommen sind – mit ein. Das ist ein Vorsatz, den wir vermehrt umsetzen wollen. Geflüchtete sind oft sehr sensibel für diese Fragen rund um den Frieden, weil sie selbst oft den Krieg erlebt haben. Sie sind sehr dankbar. Wir möchten sie im neuen Jahr mehr mit einbeziehen, sich aktiv in unsere Gesellschaft einzubringen und auch Zeugnis gegen die zu setzen, die sagen, die belasten unsere Gesellschaft. Wir möchten zeigen, diese Neubürger sind eine Bereicherung. Sie engagieren sich zum Teil schon für alte Menschen, gehen mit in Altenheime, helfen mit bei Mensen für Obdachlose und möchten auch gerne unsere Gesellschaft mitgestalten.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.