Welchen Sinn es denn hätte, dass sie über Kandidaten diskutieren, wenn der Papst ohnehin wisse, wen er will? Nicht alle italienischen Bischöfe waren zufrieden mit der Art und Weise, wie in dieser Woche der neue Vorsitzende ihrer Bischofskonferenz bestellt werden sollte. Einer von ihnen soll - bei aller Ergebenheit gegenüber dem Bischof von Rom - seinem Unmut Luft gemacht haben, als Franziskus die gut 220 Prälaten am Montagabend im Vatikan empfing. Zum Auftakt der Vollversammlung in Rom.
Er stelle sich jemanden vor, der schon Kardinal ist, eher jünger und bereit, den synodalen Weg der Kirche in Italien konsequent weiterzugehen. So etwa soll der Papst noch einmal seine Erwartungen an einen Nachfolger von Kardinal Gualtiero Bassetti formuliert haben.
Um hinterherzuschieben: "Aber fühlt euch frei! Das ist nur meine persönliche Meinung." Frei, wen sie auf die Dreierliste setzen, aus der Franziskus dann den neuen Vorsitzenden ernennen würde. Wetten und Vorhersagen hatten sich schnell auf den Erzbischof von Bologna, Kardinal Matteo Zuppi, festgelegt.
Ein Mann von Franziskus
Angesprochen auf seine Favoritenrolle zitierte Zuppi, wie er es öfter tut, einen seiner Vorgänger in Bologna: "Kardinal Biffi hat einmal gesagt, dass nur Verrückte Bischöfe werden wollen. Man könnte sagen, dass nur noch verrücktere Leute auch Chef der Bischöfe werden wollen." Zuppis stets verschmitztes Gesicht, die Mundwinkel immer nach oben gezogen, lässt einen gewissen Schalk in ihm erahnen. Nun soll er die über 200 Bischöfe Italiens vorwärts treiben auf dem synodalen Weg, auf den Franziskus sie schon 2015 schickte.
Doch viele schrecken vor einem solch komplexen Projekt zurück, mancher hat wohl keine Lust - und setzt darauf, dass das Pontifikat Bergoglio/Franziskus nicht mehr allzu lange dauert. Zuppi ist zwar ein Mann von Franziskus: sozial, nah bei den Menschen, reformfreudig, versiert im Dialog. Ob er aber in der Lage ist, einer der größten Bischofskonferenzen der Welt Beine zu machen, ist noch offen. Ein Lackmus-Test wird die geforderte Aufarbeitung von Missbrauch in der Kirche sein.
Den bisherigen Generalsekretär der Bischofskonferenz, Bischof Stefano Russo, hatte der Papst kürzlich in ein kleines Bistum nahe Rom versetzt. Kurz darauf verbunden mit dem Hinweis, der neue Vorsitzende solle frei sein, sich für den Posten einen Mann zu holen, mit dem er gut arbeiten kann. Auf die Frage, ob nach der Deutschen bald auch die Italienische Bischofskonferenz eine Generalsekretärin ernennen könne, zeigte sich Zuppi vor einem Jahr sehr zögerlich: "Ich glaube, da haben wir noch etwas vor uns." Man sei "noch sehr eine Konferenz von Bischöfen", auch wenn im Sekretariat viele Frauen arbeiten.
"Pfarrer von Sant'Egidio"
Der eine oder andere italienische Beobachter erwartet, dass die katholische Kirche des Landes unter Zuppi im gesellschaftlichen Diskurs ähnlich profillos bleibt wie unter Bassetti. Auch der war vor fünf Jahren klarer Favorit von Franziskus; doch mit Bassettis Bilanz war der Papst - wie zu hören ist - zuletzt weniger zufrieden. Es dürfte nicht allzu lange dauern, bis er den 80-Jährigen auch als Erzbischof von Perugia-Citta della Pieve ablöst.
Matteo Zuppi ist durch und durch Römer. In der Hauptstadt lernt der damals 18-Jährige im Jahr 1973 Andrea Riccardi kennen, der fünf Jahre zuvor die Gemeinschaft Sant'Egidio gegründet hatte. Am Rand der Drei-Millionen-Metropole geben sie Nachhilfe für Schüler, kümmern sich um alleinstehende Alte im Arbeiterviertel Trastevere. Anders als Riccardi wird Zuppi 1981 Priester.
Fast 30 Jahre lang ist er Seelsorger in Santa Maria in Trastevere, wird zum "Pfarrer von Sant'Egidio", die dort ihr tägliches Abendgebet hält. 2012 ernennt Benedikt XVI. Zuppi zum Weihbischof für das Bistum Rom. 2015 schickt Franziskus den sozial engagierten Prälaten nach Bologna - als Nachfolger der profiliert-konservativen Kardinäle Giacomo Biffi (1984-2003) und Carlo Caffarra (2003-2015).
Bewährter Vermittler
Unter Italiens Bischöfen ist Zuppi einer der bekanntesten, mischt sich auch in die Politik ein, ist mit Auseinandersetzungen vertraut.
Über Jahrzehnte war Zuppi mit Riccardi Chefdiplomat von Sant'Egidio, der "UNO von Trastevere". Er vermittelte zwischen Guerilla und Regime in Mosambik sowie in Algerien; im Auftrag von Ostafrikas früherem "elder statesman" Julius Nyerere moderierte er auch in Burundi.
Für Aufsehen sorgte der Kirchenmann 2019 mit seinem Buch "Du sollst deinen Nächsten hassen, wie dich selbst". Zuppi bestritt, er habe damit Politik und Auftreten von Matteo Salvini kritisiert, dem Chef der migrationskritischen Lega. Ihm sei es um das Klima in der Gesellschaft, aber auch der Kirche gegangen. Gerade die Kirche wird Zuppi nun auch motivieren müssen.
Zwar hätten schon Johannes Paul II. und Benedikt XVI. zu Aufbrüchen gemahnt, aber "Franziskus kommt jetzt wie mit dem Besen daher, um uns Beine zu machen und aus dem bequemen Haus auf die Straße zu jagen", sagte er einmal und imitierte dabei lachend den Kehraus. Bei jenen, die sich schon Gedanken um ein nächstes Konklave Gedanken machen, fällt der Name Zuppi ebenfalls. Man wird ihn sich merken müssen.