Volkssprachliche Bibelübersetzungen reichen zurück bis in die ersten frühchristlichen Jahrhunderte - und sogar bis etwa 250 Jahre vor Christus. Zu diesem Zeitpunkt nämlich beherrschten die hellenistischen Juden in der Diaspora längst nicht mehr alle das biblische Hebräisch.
Eine Übersetzung zunächst der Tora (fünf Bücher Mose) in die damals geläufige altgriechische Sprache Koine wurde nötig. Die Übersetzung wurde Septuaginta ("siebzig") genannt: Laut Legende sollen 72 Gelehrte in 72 Tagen jeweils für sich die Tora übersetzt haben - und zwar absolut identisch. Später wurde der Begriff "Septuaginta" für die Übersetzung des ganzen Tanachs, also die gesamte jüdische Bibel, gebraucht.
Einzelne Übersetzungen in Aramäisch, Syrisch und Latein
Als das Christentum auf den Plan trat, übernahm die frühe Kirche die Septuaginta als Altes Testament in ihren Kanon der Heiligen Schrift. Die Schriften des Neuen Testaments, ebenfalls verfasst in Koine-Griechisch, wurden als einzelne früh auch in andere Sprachen übersetzt, darunter Aramäisch, Syrisch und Latein. Im 4. Jahrhundert übersetzte der westgotische Bischof Wulfila die Bibel sogar ins Gotische - hauptsächlich aus griechischen Textüberlieferungen - und erfand eigens dafür eine gotische Schrift, anstatt Runen zu verwenden.
Das Christentum verbreitete sich im Römischen Reich, doch im Westen verstand man kein Griechisch: Deshalb wurden vom 2. bis ins 4. Jahrhundert zahlreiche lateinische Bibelübersetzungen angefertigt, Vetus Latina genannt. Schließlich setzte sich die später sogenannte Vulgata (lat. "im Volk verbreitet") durch. Ab dem 8. bis 9. Jahrhundert war sie im ganzen westlichen Christentum in Gebrauch. Später sollte die Vulgata dann auch vom gegenreformatorischen Konzil von Trient (1545-1563) als verbindlich festgelegt werden - eine Reaktion auf die vielen volkssprachlichen Bibelübersetzungen der Reformatoren, die zu dieser Zeit entstehen sollten.
Englische Übersetzung durch späteren Ketzer
Bereits im Frühmittelalter (500-1050) gab es neben den lateinischen Übersetzungen eine Übersetzung des Matthäusevangeliums ins Althochdeutsche, sowie eine Übersetzung des Alten Testaments ins Arabische. Im Hochmittelalter (1050-1250) entstanden außerdem Übersetzungen auf Tschechisch, Ungarisch, Valencianisch - einer Regionalsprache in Spanien - und Deutsch.
Der posthum als Ketzer verurteilte John Wyclif vollendete 1382 auf Grundlage der Vulgata die erste maßgebliche Bibelübersetzung ins Englische. Deutschsprachige Vollbibeln sind erst aus dem 15. Jahrhundert bezeugt wie etwa die Münchner Bibel von 1472 und die 1483 in Nürnberg gedruckte Koberger-Bibel. Daneben gab es, wie auch in anderen europäischen Sprachen, zuvor zahlreiche Teilübersetzungen. Insgesamt hat man 72 (Teil-)Übersetzungen der Bibel in deutscher Sprache gezählt, die vor Luthers "Dolmetschung" erschienen sind. Ihnen allen wird eine eigenständige kirchengeschichtliche Bedeutung zuerkannt.
Neues Zeitalter durch Reformation
Durch die Reformation im 16. Jahrhundert begann ein neues Zeitalter auch für die Bibelübersetzung: Gemäß Luthers Forderung "sola scriptura", also "allein durch die Schrift", gingen die Reformatoren zurück zu den biblischen Quellen der christlichen Botschaft - und zwar in ihrer hebräischen beziehungsweise griechischen Urform: Anstatt auf die lateinische Vulgata griff Luther in seiner Übertragung des Neuen Testaments also wieder auf die griechische Originalsprache als Grundlage zurück - ganze 1.000 Jahre nach dem Gotenbischof Wulfila. Dabei stand ihm unter anderem die von Erasmus von Rotterdam 1519 vorgelegte griechische Textausgabe zu Verfügung.
1522 kam Luthers "Septembertestament" auf den Markt und war höchst erfolgreich. Seine Übersetzung des Neuen Testaments wollte weniger den griechischen Originalwortlaut abbilden, als vielmehr die Sprachgepflogenheiten des Volkes aufgreifen: Die Schrift sollte als das unmittelbar ansprechende Wort Gottes gehört werden. Gleich darauf machte sich Luther mit etlichen Mitarbeitern an die Übersetzung auch des Alten Testaments. 1534 erschien die erste vollständige Lutherbibel.