Zur Situation der Christen vor den Präsidentschaftswahlen in Syrien

"Fällt Assad, müssen die Christen Syrien verlassen"

Der Bürgerkrieg tobt weiter - dennoch kündigt Assad Präsidentschaftswahlen an. Am Ostersonntag hat er die christliche Stadt Maalula besucht. Christoph Klitsch-Ott, Nahostexperte von Caritas International, im domradio.de-Interview.

Assad besucht die christliche Stadt Maalula (dpa)
Assad besucht die christliche Stadt Maalula / ( dpa )

domradio.de: Am Ostersonntag besuchte Assad die Christenenklave Maalula bei Damaskus. Ist das denn ein Zeichen, wie wichtig die Christen für Assad gerade sind?

Klitsch-Ott: Naja, ich würde das mal so interpretieren, dass Assad sich Partner sucht, von denen er hofft, dass sie ihm zur Seite stehen. Maalula, eine sehr alte christliche Stadt, ist ja vor kurzem erst von der Regierungsarmee wieder aus den Händen der Al-Nusra-Front befreit worden. Das sind Islamisten. Und er nutzt das sicherlich als Propaganda, um für sich Stimmung zu machen.

domradio.de: Welche Rolle spielen denn die Christen in Syrien aktuell?

Klitsch-Ott: Die Christen sind in einer sehr schwierigen Lage. Sie werden im Moment eigentlich zwischen allen Lagern zerrieben. Sie stehen tendenziell, auch in den letzten Jahrzehnten, eher auf Seiten von Assad, was man aber auch verstehen kann. Sowohl Assads Sohn, der jetzt regiert, wie auch sein Vater, haben den Christen eine gewisse Religionsfreiheit gewährt. Man konnte sich als Christ dort bewegen, solange man sich nicht politisch betätigt hat. Und die Christen fürchten natürlich, wenn irgendeine der jetzigen Rebellengruppen, sei es al-Kaida, sei es die Al-Nusra-Front oder die ISIS ("Islamischer Staat im Irak und in Syrien", Anm. der Redaktion), die Regierungsmacht übernimmt, dann können sie eigentlich nur noch das Land verlassen, was Viele bisher schon getan haben.

domradio.de: Wenn wir mal auf die Entwicklung der vergangenen Jahre schauen: Hat sich denn die Rolle der Christen in den vergangenen Jahren radikalisiert?

Klitsch-Ott: Ich würde nicht sagen, dass sie sich radikalisiert hat. Ich denke, viele Christen denken sehr pragmatisch. Sie sind sicherlich keine glühenden Anhänger von der Regierung Assad, aber sie sehen natürlich, was um sie herum passiert, was im Irak passiert mit den Christen, was in den letzten zwei, drei Jahren in Ägypten mit den Christen passiert, und da sagen sie sich ganz pragmatisch: Unter Assad lebte man zwar in einer Diktatur, die politisches Handeln praktisch unmöglich gemacht hat, aber man hatte wenigstens die Freiheit, seine Religion zu praktizieren.

domradio.de: Was meinen Sie denn, was wird sich insgesamt und insbesondere für die Christen mit dieser "Wahl" in Syrien am 3. Juni verändern?

Klitsch-Ott: Die Wahl ist natürlich in gewisser Weise eine Farce. Assad wird sich da bestätigen lassen als Präsident. Ich glaube auch nicht, dass sich sehr viel für die Christen prinzipiell ändern wird. Es wird in den nächsten Monaten sehr stark darauf ankommen, ob es Assad gelingt, militärisch weiter Erfolge zu erzielen und sich damit und darüber zu stabilisieren. Dann wird das sicherlich auch dazu führen, dass die Christen etwas mehr Luft haben zum Atmen. Falls Assad fallen wird, kann ich mir eigentlich nur vorstellen, dass es einen großen Exodus der Christen aus Syrien geben wird.

Das Gespräch führte Christian Schlegel.


Quelle:
DR