DOMRADIO.DE: In Deutschland gibt es 19 Katholisch-Theologische Fakultäten und Hochschulen, an denen man Theologie studieren kann, aber immer weniger Studenten betreiben das im Vollstudium, weil sie wirklich Priester oder Laientheologe werden wollen. Gerade erst stand die Fakultät an der Ruhr-Universität Bochum auf der Kippe, weil das Bistum Essen seine Priesteramtskandidaten jetzt nach Münster schickt. Aber Ministerpräsident Armin Laschet hat dem Papst bei seiner Audienz am Montag höchstpersönlich zugesichert, dass der Standort bleiben wird. Warum sollte eine Fakultät bestehen bleiben, wenn es immer weniger Studierende gibt; zumal wenn es nach Münster oder Paderborn auch nicht so weit ist?
Pfarrer Antonius Hamers (Katholisches Büro NRW): Weil eine theologische Fakultät an einer Universität nach unserem Dafürhalten sehr wichtig ist. Deswegen sind wir auch sehr dankbar, dass wir in Nordrhein-Westfalen weiterhin eine breite theologische Landschaft mit drei Fakultäten an staatlichen Universitäten in Bochum, Münster und Bonn, sowie in einer theologischen Hochschule in Paderborn und einer katholischen Hochschule einer ehemaligen Fachhochschule in Trägerschaft der Bistümer haben. Und an sieben weiteren Universitäten haben wir Institute für die Lehrerausbildung. Wir sind Gott sei Dank weiterhin breit aufgestellt und die Theologie, beziehungsweise die theologische Fakultät, ist natürlich zunächst einmal dafür da, Theologen auszubilden, seien es jetzt Religionslehrer, Priester oder Pastoralreferenten, also Berufsbilder, die Theologie auf Diplom oder Magister studieren.
Darüber hinaus spielen die katholischen Fakultäten aber auch insgesamt in den Universitäten eine wichtige Rolle. Es gibt viele Anknüpfungspunkte zu anderen Fachbereichen: Beispielsweise ist die ganze Philosophiegeschichte nicht zu verstehen ohne die Bezüge zur Theologie, ebenso die Geschichte, die Philosophiegeschichte in Europa oder die ganze Kunst- und Literaturgeschichte. Es gibt viele Verknüpfungen und unsere Fakultäten sind natürlich dazu angehalten, diese zu anderen Fachbereichen zu pflegen. Man muss sich da gegenseitig unterstützen, man kann Synergien nutzen und das macht deutlich, dass Theologie eben keine Randwissenschaft ist, die sich abkapselt, sondern in alle anderen Bereiche hinein strahlen kann.
DOMRADIO.DE: Aber ihrem Kernauftrag, nämlich der Priesterausbildung, kommen die katholischen Fakultäten nicht mehr oft nach, oder?
Hamers: Das stimmt, die Zahl der Priesteramtskandidaten geht zurück. Aber es geht an den einzelnen Fakultäten nicht nur darum, Priester auszubilden. Es geht auch um die Ausbildung von Lehrern und Laientheologen und darum, deutlich zu machen, dass Theologie in anderen Bereichen eine große Rolle spielt und sowohl in der Fakultät beziehungsweise in der Universität, aber auch in der Gesellschaft immer auch etwas zu den großen gesellschaftlichen Diskussionen beizutragen hat, seien es jetzt ethische Diskussionen, Wertedebatten, aber eben auch Fragestellungen wie zum Beispiel in der Kulturgeschichte. Immer, wenn es um Identität geht: Wir ringen immer wieder um unsere kulturelle Identität und da hat die Theologie ganz viel zu beizutragen.
Aber es ist natürlich eine große Aufgabe zu zeigen, dass wir als Theologen nicht im Elfenbeinturm sitzen, sondern dass die Theologie darauf angelegt ist, in eine Gesellschaft hinein zu wirken.
Der Papst hat gerade ein neues Papier vorgelegt: "Veritatis Gaudium" – "Die Freude an der Wahrheit", wo es um die Aufgabe der theologischen Fakultäten geht und da spielt dieser gesellschaftliche Auftrag und diese Vernetzung mit anderen Wissenschaften eine ganz große Rolle, auf diese Weise auch Zeugnis vom Evangelium abzulegen.
DOMRADIO.DE: Das hat Armin Laschet ja auch angesprochen. Er sagte, neu entstehende islamische Lehrstühle dürften nie zu Lasten christlicher Fakultäten und Lehrstühle gehen. Ist das denn wirklich das zentrale Problem?
Hamers: Nein, das ist nicht das zentrale Problem. Die katholischen Fakultäten sollen und müssen gut aufgestellt sein, um in der religiösen Vielfalt, die wir hier zunehmend haben, auch weiterhin sprachfähig zu sein. Wir wollen in keine Konkurrenzsituation zu anderen Religionen und Fakultäten kommen. Und deswegen sind wir sehr dankbar, dass nach einer langen Verhandlungsphase, die schon unter der vorherigen Landesregierung angefangen hat, jetzt für Bochum eine solche Lösung erreichen erreicht werden konnte.
Wir müssen natürlich auch gucken, wie wir unsere theologischen Nachwuchskräfte einsetzen und wie wir das bündeln können, das steht außer Frage. Aber wir wollen nicht in eine Konkurrenzsituation nach dem Motto: "Streiche christliche Theologie - setze islamische Theologie" oder "Streiche jüdische Theologie - setze christliche Theologie". Das wäre fatal, das wollen wir natürlich auf keinen Fall. Wir wollen zu niemandes Lasten etwas machen, sondern wir wollen etwas machen, um auch im religiösen und kulturellen Dialog sprachfähig zu sein.