Thomas de Maiziere (CDU) war bisher um deutliche Worte nicht verlegen. Neue Zuwanderungsregeln brauche es nicht, hatte der Bundesinnenminister wiederholt zu entsprechenden Vorstößen des sozialdemokratischen Koalitionspartners und aus seinen eigenen CDU-Reihen geäußert. Inzwischen klingt das etwas anders. Neuerdings spricht de Maiziere von einem "Zuwanderungsmarketing" im Ausland, und er will ein Migrationsbündnis schließen. Möglich also, dass sich die Regierung doch noch auf eine gemeinsame Linie verständigt.
Auch am Donnerstag in Nürnberg vermied der Minister ein klares Nein zu Reformen. Er sprach vielmehr von "Systematisierungen" bestehender Gesetze. Der diplomatische Ton mag damit zusammenhängen, dass der Anlass eher ein festlicher war: Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurde das zehnjährige Bestehen des rot-grünen Zuwanderungsgesetzes gefeiert. Bei der zweitägigen Fachkonferenz, die am Freitag endet, gibt es zwar auch eine kritische Bestandsaufnahme, aber das Lob des Erreichten steht eindeutig im Vordergrund.
Süssmuth: Deutschland auf einem guten Weg
Das Zuwanderungsgesetz war seinerzeit in jahrelangen Verhandlungen zwischen der Schröder-Regierung und dem unionsdominierten Bundesrat zustande gekommen und am 1. Januar 2005 in Kraft getreten. Seither haben hoch qualifizierte Ausländer wieder Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt, Zuwanderer erhalten Integrationskurse - und werden gegebenenfalls dazu verpflichtet. Ausländische Studierende müssen nicht mehr 14 Tage nach ihrem Abschluss ausreisen. Inzwischen haben sie anderthalb Jahre Zeit, sich in Deutschland einen Job zu suchen.
Von einem "Quantensprung" sprach die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU). Die Verabschiedung des Gesetzes sei ein "großes Erfolgserlebnis" gewesen. Deutschland sei inzwischen ein Einwanderungsland. Süssmuth war damals besonders zwischen die Fronten geraten, da die rot-grüne Regierung ausgerechnet die CDU-Politikerin an die Spitze einer Kommission gesetzt hatte, die das Gesetz entwerfen sollte. Deutschland sei in Sachen Integration auf einem guten Weg, habe aber noch viel zu leisten, bilanzierte die Ex-Parlamentschefin jetzt in Nürnberg.
Kritik von Fachleuten und SPD
Viele Fachleute sehen bei dem Gesetzeswerk inzwischen Nachholbedarf. Auch die SPD will eine Runderneuerung, wirbt für ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild, mit dem geprüft werden soll, ob ausländische Fachkräfte nach Deutschland kommen sollen.
Integrations-Staatsministerin Aydan Özoguz (SPD) warnte in ihrem Konferenzbeitrag davor, Einwanderung stets als "Problem" zu diskutieren. Notwendig sei eine "integrative Politik" für alle Menschen in Deutschland, nicht nur für jene mit ausländischen Wurzeln.
De Maiziere: Kritik an EU-Flüchtlingspolitik
Gab sich de Maiziere fast zahm, was die innenpolitische Diskussion anbelangt, so fiel seine Kritik an der Flüchtlingspolitik der Europäischen Union überraschend heftig aus - gerade mit Blick auf die jüngste Bootstragödie im Mittelmeer mit wahrscheinlich 400 Toten. "Wir arbeiten einfach im Schubkasten nebeneinander her", sagte er angesichts des EU-Kompetenz-Wirrwarrs. Der Minister legte ein Sechs-Punkte-Programm vor, um Abhilfe zu schaffen. Er will unter anderem einheitliche Standards bei der Unterbringung von Flüchtlingen sowie einen neuen Verteilschlüssel.
Die Konferenz findet im Rahmen der "Nürnberger Tage für Integration" statt, zu denen das Migrations-Bundesamt zum fünften Mal geladen hatte. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unterstrich die Bedeutung des Themas: Sie besuchte am Nachmittag in der fränkischen Metropole eine Anerkennungsstelle für ausländische Berufsabschlüsse der Industrie- und Handelskammer. Özoguz wiederum zeigte sich zuversichtlich, dass die Koalition ihre Meinungsunterschiede in Sachen Gesetzesnovelle ausräumt. "Wir sind nicht fundamental auseinander", sagte sie.