Zwei Theologen über die religiöse Welt in der Serie "Simpsons"

"Friede und Hähnchen"

Mit feinsinniger Satire behandelt die TV-Serie "Simsons" oft auch gesellschaftliche Themen. Die Freiburger Theologen Johannes Heger und Thomas Jürgasch haben ein Buch über das Religiöse in der Simspons-Welt geschrieben.

In einer Folge der 16. Staffel entscheidet sich Homer, selbst Priester zu werden - und verheiratet fortan auch schwule Paare. / © Twentieth Century Fox (KNA)
In einer Folge der 16. Staffel entscheidet sich Homer, selbst Priester zu werden - und verheiratet fortan auch schwule Paare. / © Twentieth Century Fox ( KNA )

KNA (Katholische Nachrichten-Agentur): Herr Heger, wie viele Folgen der Simpsons haben sie gesehen?

Johannes Heger (Theologe und Buchautor): Etwa 90 Prozent. Ich habe als Jugendlicher angefangen, die Serie zu schauen.

KNA: Darf ein katholischer Theologe Fan der Simpsons sein?

Heger: Er muss es in gewisser Weise sogar, wenn er Theologie gegenwartsbezogen betreiben will. Die Simpsons sind ein Spiegel von Kultur und Gegenwart und behandeln auch religiöse Themen. Zudem schauen viele die Serie gerne. Bedient man sich dieser Zusammenhänge, können theologische Themen mit den Simpsons wieder zur Sprache gebracht werden.

KNA: Die Simpsons also als Mittel zur Vermittlung religiöser Inhalte?

Thomas Jürgasch (Theologe und Buchautor): Es ist nicht leicht, Bilder und Fragestellungen in der Theologie zu finden, mit denen Menschen heute noch etwas anfangen können. Man muss in die gegenwärtige Welt hineinsprechen und Bilder benutzen, die bereits vorhanden sind. Dazu kann die Serie viele hilfreiche Anregungen geben.

KNA: Warum behandeln die Simpsons so häufig das Thema Religion?

Heger: Religion spielt tatsächlich hinter Film- und politischen Anspielungen eine große Rolle bei den Simpsons. Die Serie ist gewissermaßen ein Spiegel der Gesellschaft. Auch wenn viele anderes sagen: Religion ist in der Gesellschaft präsent und damit auch ein Gegenstand des gelben, manchmal satirischen Spiegels.

KNA: Durch Übertreibungen werden beispielsweise Konzerne kritisiert und hinterfragt. Wie sieht es mit den Kirchen aus?

Jürgasch: Im Bereich der Religion veralbern die Simpsons Themen, die aus Sicht der heutigen Kultur problematisch sind. Sie werfen zum Beispiel die Frage auf, wie zeitgemäße Seelsorge, Gemeindeformen und Gottesdienste aussehen könnten. Da gibt es die Figur des Reverend Hooper, der sich in bester popkultureller Weise bei seiner Gemeinde anzubiedern versucht. Sein Auftreten besteht aus Filmzitaten und Verweisen auf Serien, da die Kirchenbesucher gerne Filme schauen. Er ist das Beispiel für eine Kirche, die sich einschleimen will. Wenn die Kirche nur den Geschmack der Leute treffen will, ohne eigene Positionen zu vertreten, dann wird es problematisch.

KNA: Der Simpsons-Nachbar Ned Flanders ist ähnlich wie Reverend Lovejoy so ein anbiederndes Beispiel einer einschleimenden Kirche. Sind die Simpsons gegenüber der Religion generell negativ eingestellt?

Heger: Auf den ersten Blick scheint Flanders wirklich nur der nervige Nachbar zu sein. Die Figur ist jedoch zwiespältig. So schaut Homer manchmal auch neidisch auf den Familienfrieden der Flanders, und Homers Frau Marge träumt in einer Folge sogar von Ned Flanders als ihrem Mann. Flanders verkörpert letztlich zwei Dinge: Einerseits naives Vertrauen, über das man sich lustig machen kann, andererseits steht er - ganz im Sinne des gelebten Christentum - auch für bedingungslose Nächstenliebe und den Wert der Familie.

KNA: In ihrem Sammelband werden einige Zusammenhänge beschrieben: Sie wollen belegen, dass Kneipen und Kirchen viel gemeinsam haben. Kritiker könnten ihnen vorwerfen, dass man in die Simpsons so einiges hineininterpretieren kann.

Jürgasch: Wir sehen die Simpsons als eine Instanz, die Fragen stellt. Wir ziehen also etwas heraus und interpretieren weniger hinein. Anhand der Figur Ned Flanders stellt sich die Frage, ob man Nächstenliebe heutzutage wirklich so leben soll, wie er das tut. Reverend Lovejoy ermuntert zu der Frage, ob Gottesdienste so langweilig gefeiert werden müssen, wie er es macht.

KNA: In ihrem Buch kommen auch islamische Autoren zur Sprache. Können die Simpsons Religionen näher zueinander bringen?

Jürgasch: Homer versucht einmal, die Gemeinsamkeiten der Religionen herauszustellen: "Manche essen kein Rind, andere kein Schwein - aber Hühnchen schmeckt doch allen." Er kommt damit zu seinem messianischen Slogan "Friede und Hähnchen" - darauf könnten sich doch alle Religionen einigen. Die Absurdität von Homers Botschaft zeigt deutlich, dass interreligiöser Dialog eben keine Art Hühnerfrikassee sein darf, das für einen schlechten Minimalkonsens steht. Andererseits werden so auch Äußerlichkeiten kritisiert: Kann es wirklich sein, dass sich Anhänger einer Religion wesentlich darüber definieren, was sie essen dürfen und was nicht? Die Serie kann solche Fragen nicht lösen. Sie regt aber zum Nachdenken über zentrale Fragen an.

Das "Religion? Ay Caramba - Theologisches und Religiöses aus der Welt der Simpsons" ist im Herder-Verlag erschienen und kostet 19,99 Euro.

Das Interview führte Samuel Dekempe.


Der Freiburger katholische Theologe Johannes Heger.  / © Privat (KNA)
Der Freiburger katholische Theologe Johannes Heger. / © Privat ( KNA )

Der katholische Theologe Thomas Jürgasch. / © Privat (KNA)
Der katholische Theologe Thomas Jürgasch. / © Privat ( KNA )
Quelle:
KNA