Emeritierter Papst besucht Bruder Georg Ratzinger am Krankenbett

Zwei unterwegs im Auftrag des Herrn

Der eine in Rom, der andere in Regensburg - die starke Beziehung zwischen den beiden Ratzinger-Brüdern riss nie ab, selbst als der eine Papst wurde. Nun kommt es zu einem Wiedersehen in Bayern, womöglich dem letzten.

Georg Ratzinger, Priester und Bruder von Papst Benedikt XVI.  / © Katharina Ebel (KNA)
Georg Ratzinger, Priester und Bruder von Papst Benedikt XVI. / © Katharina Ebel ( KNA )

"Nach Deutschland wird mein Bruder wohl nicht mehr reisen, auch nicht nach Regensburg." Georg Ratzinger wurde in den vergangenen Jahren nicht müde, diesen Satz zu wiederholen, wenn ihn Journalisten fragten. Denn nachdem Benedikt XVI. im Jahr 2013 von seinem Amt als Papst zurückgetreten war, stand immer mal wieder der Gedanke im Raum, dass er vielleicht doch ganz privat in sein geliebtes Bayern kommen könnte. Am Donnerstag ist es ganz überraschend passiert.

Am späten Vormittag landete Benedikt (93) mit einer kleinen Delegation am Münchner Flughafen, um ans Krankenbett seines Bruders (96) zu eilen. Das deutet auf einen gewissen Ernst der Lage hin.

2006 war der Papst zuletzt offiziell in Bayern. Unter dem Motto "Wer glaubt ist nicht allein" reiste er in jene Städte, die mit seinem Werdegang verbunden sind, und die ihn seit Kindheit prägten. Auch Regensburg stand damals auf dem Reiseplan, wo er als Professor von 1969 bis 1977 als Dogmatikprofessor lehrte und wo in Pentling sein "Häusle  steht. Übernachten könnte er dort heute nicht mehr.

"Bücherratz" und "Orgelratz"

Aus seinem einstigen Refugium in der Bergstraße 5, das er mit seiner älteren Schwester Maria (1921-1991) bewohnte, ist längst ein "Ort der Begegnung und Dokumentation" über sein Leben und Wirken geworden. Es wird seit 2013 vom Institut Papst Benedikt XVI. verwaltet.

Doch schon vor 14 Jahren behielt sich Benedikt zumindest ein paar Stunden der Privatheit mit seinem Bruder Georg vor. Man aß gemeinsam zu Mittag in Georgs Wohnhaus inmitten der Altstadt. Zeit blieb auch noch für einen Besuch auf dem Ziegetsdorfer Friedhof, um ein Gebet am Familiengrab zu sprechen, wo die Eltern und die Schwester bestattet sind.

Die bemerkenswerte kirchliche Karriere der beiden Brüder war für die aus einfachen Verhältnissen stammenden Ratzingers nicht absehbar. Dass der Ältere - Georg - ins kirchenmusikalische Fach drängte und der jüngere die wissenschaftliche Laufbahn einschlagen würde, zeichnete sich aber ab. Schon im Seminar hatten sie die Spitznamen "Bücherratz" und "Orgelratz" verpasst bekommen.

Ohrfeigen in den Chorproben

Beide empfingen 1951, Joseph als der jüngste unter den Kandidaten, in Freising die Priesterweihe durch den Münchner Kardinal Michael von Faulhaber. Während der Weihe, die komplett in lateinischer Sprache stattfand, saßen die Eltern in den Bänken, gottergeben, aber vielleicht auch ein wenig stolz. Jedenfalls lässt sich das Bild so deuten, das eine Kamera damals für einen erstaunlicherweise erhalten gebliebenen Schwarz-Weiß-Film über das kirchliche Großereignis eingefangen hat.

Georg sollte später als Leiter der Regensburger Domspatzen den ältesten Knabenchor der Welt zu künstlerischen Höhen führen. Allerdings musste er schon 2010 auch einräumen, bis Ende der 1970er Jahre in den Chorproben wiederholt Ohrfeigen verteilt zu haben.

2017 bescheinigte ihm der Abschlussbericht über Missbrauch und Gewalt bei den Domspatzen, Ratzinger müsse sich vor allem vorwerfen lassen, dass er weggeschaut habe und trotz Kenntnis von Gewaltvorfällen nicht eingeschritten sei, erklärte Sonderermittler Ulrich Weber.

"Strahlend das Haus verlassen"

Bruder Joseph blieb nicht Professor, sondern wurde zu Höherem berufen: erst 1977 zum Erzbischof in sein Heimatbistum München-Freising, dann 1982 zum Präfekten der Glaubenskongregation nach Rom. Schließlich traf den Kurienkardinal am 19. April 2005 das "Fallbeil", wie er seine Papstwahl drastisch kommentierte.

Damit rückte auch Bruder Georg, damals längst im Ruhestand, wieder ins öffentliche Interesse. Die beiden hatten sich ihren Lebensabend anders vorgestellt. Dennoch verbrachten sie weiterhin Zeit miteinander. Zweimal im Jahr, nach Weihnachten und im Sommer, flog Georg, solange es möglich war, für ein paar Wochen nach Rom. Dort sind für ihn am Altersruhesitz seines Bruders im Kloster "Mater Ecclesia" Räume reserviert. Ansonsten telefonieren die beiden.

Nun hat es den jüngeren Ratzinger wohl nicht mehr gehalten und er nahm die nicht leichte Reise auf sich. Wie lange der emeritierte Papst in Regensburg bleiben wird, ist nicht bekannt. Wie man hört, soll Benedikt nach einer ersten Begegnung mit dem Bruder "strahlend" das Haus verlassen haben.

Von Barbara Just


 Eine Nonne geht an dem Haus vorbei, in dem Georg Ratzinger, der Bruder des emeritierten Papstes wohnt / © Armin Weigel (dpa)
Eine Nonne geht an dem Haus vorbei, in dem Georg Ratzinger, der Bruder des emeritierten Papstes wohnt / © Armin Weigel ( dpa )

Joseph (l.) und Georg Ratzinger im Jahr 2008 / © Osservatore Romano/Romano Siciliani (KNA)
Joseph (l.) und Georg Ratzinger im Jahr 2008 / © Osservatore Romano/Romano Siciliani ( KNA )

Georg Ratzinger (m.l.) und Papst Benedikt XVI. (m.r.) mit den Regensburger Domspatzen nach einem Konzert 2005 in der sixtinischen Kapelle im Vatikan / ©  Aturo Mari (KNA)
Georg Ratzinger (m.l.) und Papst Benedikt XVI. (m.r.) mit den Regensburger Domspatzen nach einem Konzert 2005 in der sixtinischen Kapelle im Vatikan / © Aturo Mari ( KNA )

Die Brüder Georg (l.) und Joseph Ratzinger (r.) mit ihrem gemeinsamen Freund Rupert Berger  (KNA)
Die Brüder Georg (l.) und Joseph Ratzinger (r.) mit ihrem gemeinsamen Freund Rupert Berger / ( KNA )
Quelle:
KNA
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