Zwei Wochen vor dem Papstbesuch befindet sich Kroatien in der Krise

Ein Land an der Schwelle

Gut zwei Wochen vor dem Besuch von Papst Benedikt XVI. wächst der Unmut in Kroatien: Seit Ende Februar protestieren überwiegend junge Menschen in den größten Städten des Landes. Korruption und eine desolate wirtschaftliche Situation, so lauteten ihre Vorwürfe. Die Bischöfe im Land sprechen von einer "geistigen Krise".

Autor/in:
Veronika Wengert
 (DR)

Tausende Demonstranten schieben sich durch die Straßen der Hauptstadt Zagreb. Mit Transparenten, die den Rücktritt der Regierung fordern. Andere richten sich gegen den geplanten EU-Beitritt: "Ich liebe Kroatien, aber nicht die EU". Europa-Flaggen, aber auch politischer Parteien - egal, ob Regierung oder Opposition - gehen in Flammen auf. Bilder, wie sie im Frühjahr immer wieder über die kroatischen TV-Kanäle flimmerten.



Unterstützung bekamen die "Facebookovci" ("Facebookler"), wie die Demonstranten in Kroatien genannt werden, von den Kriegsveteranen. Das werteten die Medien als einen Schlag gegen die konservative Regierungspartei Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ) - denn zum Jahresende stehen Parlamentswahlen ins Haus. Und unter Kriegsveteranen verzeichnet die HDZ besonders viele Anhänger. Von 4,4 Millionen Einwohnern waren zuletzt 334.000 ohne Arbeit, darunter rund ein Viertel junger Menschen.



Seit der Verhaftung von Ex-Premier Ivo Sanader, der schon seit Mitte Dezember in Salzburg in Auslieferungshaft sitzt, hat das Ansehen der Partei stark gelitten. Ihm werden Korruption, Amtsmissbrauch und Bestechlichkeit vorgeworfen; fast wöchentlich kommen neue Anschuldigungen hinzu.



Kritischer Blick aus Brüssel

Der Journalist Dusan Miljus hat die Demonstrationen nur aus der Ferne beobachtet. Er muss Menschenansammlungen meiden. "Zu riskant." Der 49-Jährige zählt zu den bekanntesten investigativen Journalisten in Kroatien, und er steht unter Polizeischutz. Ob Bau-Mafia, Korruption oder das organisierte Verbrechen: Miljus nennt das Übel beim Namen. Im Juni 2008 wurden ihm seine Enthüllungen zum Verhängnis. Am hellichten Tag wurde er mit einem Baseballschläger zusammengeschlagen, musste ins Krankenhaus. Auch andere investigative Journalisten im Land bekommen Morddrohungen und Schmähbriefe. Die Ermittlungen laufen schleppend.



Das sieht auch die EU kritisch. Doch Lob aus Brüssel gab es zuletzt auch: Kroatien habe zwar Fortschritte bei der Annäherung an EU-Standards gemacht, vor allem mit Blick auf die Grundrechte. Dennoch sei noch viel zu tun, so ein Zwischenbericht vom März. Nach dem jüngsten Erfolg im Bereich Justiz, den die EU-Kommission am Mittwoch bestätigte, sind nun noch sechs Kapitel der Verhandlungen offen, darunter auch der Wettbewerb. Unter anderem müssen die großen Schiffswerften privatisiert werden. Korruption und Misswirtschaft sorgen für tiefrote Zahlen. Etwa 50.000 Arbeitsplätze stellt die Branche.



Skeptische Kroaten

Bis zu einem tatsächlichen EU-Beitritt dürfte es - selbst nach optimistischsten Schätzungen - mindestens 2013 werden. Doch die Kroaten bleiben skeptisch: Bei einem entsprechenden Referendum würden derzeit nur 38 Prozent für eine EU-Mitgliedschaft stimmen. Insgesamt findet nur jeder Vierte (26 Prozent), dass die EU an sich eine gute Sache sei, so die aktuellen Umfragewerte. Euroskepsis: auch eine Frage mangelnden Wissens über die Staatengemeinschaft.



In gut zwei Wochen soll nun Papst Benedikt XVI. Kroatien besuchen. Er komme in ein Land, das von einer ernsthaften kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Krise überschattet werde, schreiben die kroatischen Bischöfe in einem jüngsten Hirtenbrief. Dahinter verberge sich eine tiefe geistige Krise. In dem Adrialand gehören 88 Prozent der Bevölkerung der katholischen Kirche an.



Die Vorbereitungen für den Empfang des hochrangigen Gastes, für das Verkehrs- und Sicherheitskonzept bei den Großveranstaltungen laufen jedenfalls auf Hochtouren - auch wenn sich bereits Widerstand gegen zu hohe Kosten des Besuches für die gebeutelten Steuerzahler regt. Von ungerechnet 5,6 Millionen Euro ist die Rede. Immerhin: Die Regierung sieht im Vatikan einen starken Fürsprecher für einen kroatischen EU-Beitritt, wie Außenminister Gordan Jandrokovic wiederholt betont hat. Das erfolgreich geschlossene Justiz-Kapitel ist nun ein weiteres starkes Argument.