Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl hält die geplante Beschleunigung der Asylverfahren für Zuwanderer aus dem Kosovo für unrealistisch. Im "Kölner Stadt-Anzeiger" (Samstag) warnte der stellvertretende Geschäftsführer Bernd Mesovic, das dazu nötig Personal müsse erst gefunden werden, die Einarbeitung dauere etwa neun Monate. "Man kann nicht davon ausgehen, dass binnen drei Monaten in einer Sturzgeburt 350 neue Asylentscheider da sitzen werden."
In Deutschland ist die Zahl der Asylsuchenden aus dem Kosovo stark gestiegen. Im Januar stellten 3630 Menschen aus dem armen Balkanstaat einen Asylantrag - 85 Prozent mehr als Dezember. Seit Jahresbeginn reisten mehr als 18 000 Kosovaren nach Deutschland ein. Die meisten konnten wegen des großen Andrangs noch keinen Asylantrag stellen. Bis auf einzelne Ausnahmen werden die Asylgesuche abgelehnt, weil die Behörden Bürger aus dem Kosovo nicht als politisch Verfolgte ansehen.
Beschleunigtes Asylverfahren
Die Innenminister hatten am Freitag beschlossen, dass die Verfahren in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen künftig innerhalb von zwei Wochen abgearbeitet werden sollen. In diesen Ländern waren zuletzt besonders viele Kosovaren angekommen.
Diese sollen künftige nicht mehr auf die Kommunen verteilt werden, sondern gleich in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder bleiben, damit das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Verfahren dort schneller abwickeln kann. Die Behörde soll dazu ihr Personal in diesen Einrichtungen verstärken.
Die Kommunen beklagen angesichts des starken Andrangs von Flüchtlingen fehlende Unterstützung. Viele Landräte fühlten sich am unteren Ende eines Verteilungssystems, das derzeit chaotische Züge annehme, sagte Reinhard Sager, Präsident des Deutschen Landkreistages, der "Passauer Neuen Presse" (Samstag).
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) rief die Länder auf, abgelehnte Asylbewerber schneller abzuschieben. "Solange nicht konsequent abgeschoben wird, wird die ungesteuerte Einwanderung
nach Deutschland immer weiter zunehmen", sagte der CDU-Politiker der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Samstag).
Chaotische Asylpolitik
Der Migrationsforscher Jochen Oltmer hat angesichts der Diskussion um Flüchtlinge aus dem Kosovo die deutsche und europäische Asylpolitik als "konzeptionslose, chaotische Flickschusterei" kritisiert. Immer wieder werde an Einzelproblemen herumgedoktert, anstatt endlich grundsätzlich ein neues Asyl- und Einwanderungssystem zu entwickeln, sagte der Professor der Universität Osnabrück dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Die Diskussion über zunehmende Flüchtlingsströme von wo auch immer läuft seit mehr als zwei Jahren." Dennoch bleibe es bei Adhoc-Maßnahmen: "Immer wird am offenen Herzen operiert."
Die Fluchtbewegungen aus dem Kosovo und die Reaktionen darauf zeigten wieder einmal, dass das Dublin-System nicht funktioniere, sagte Oltmer. Für das Asylverfahren der Menschen, die aus dem Kosovo über Ungarn und Österreich nach Deutschland flüchteten, seien nämlich laut Dublin-Verordnung eben diese Ersteinreisestaaten zuständig. Das werde in der Diskussion aber gar nicht erwähnt. Die beiden Länder ließen die Schutzsuchenden geflissentlich einfach weiterreisen, erklärte der Forscher. Griechenland und Italien verfolgten mit den dort auftauchenden Flüchtlingen schon seit längerem dieselbe Strategie.
Oltmer warnte die Politiker vor beschleunigten Asylverfahren und schnellen Abschiebungen. Wer in Deutschland Asyl beantrage, habe ein im Grundgesetz verankertes Recht darauf, dass das Gesuch geprüft werde und dass er auch Einspruch dagegen einlegen könne: "Da kann sich ein Innenminister nicht hinstellen und im Vorhinein sagen, die Menschen hätten zu 99 Prozent keine Aussicht auf Asyl."
Die aktuelle Abschreckungs- und Abschottungspolitik der Innenminister gegenüber den Menschen aus dem Kosovo sei "schlichteste, billige Abwehr", kritisierte das Vorstandsmitglied des Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien.
Nachhaltige Einwanderungsprogramme
Stattdessen könnte zum Beispiel ein Einwanderungsprogramm aufgelegt werden, mit dem eine Art Entwicklungshilfe für den jungen Staat geleistet werde. Dann könnten Arbeitskräfte befristet in deutschen Unternehmen beschäftigt werden. Junge Menschen könnten ausgebildet werden, damit sie dann in ihre Heimat zurückgehen könnten.
Der Historiker und Politikwissenschaftler monierte zudem, dass nicht differenziert werde, wer tatsächlich aus dem Balkan nach Deutschland einreise. Er bezweifelte, dass alle Flüchtlinge Kosovaren seien. Das Kosovo sei ein junger Staat. Bei vielen Einwohnern seien die Staatsangehörigkeitsverhältnisse noch gar nicht geklärt. Viele seien möglicherweise Serben: "Die wissen, dass sie damit zu den sicheren Herkunftsstaaten in Deutschland gehören. Dann gehen sie eben verständlicherweise ohne Pass über die Grenze und geben sich als Kosovaren aus."