Zweites Dialogforum der Kirche in Hannover eröffnet - Reden im O-Ton und Interviews mit Schick und Vesper

Eine Zivilisation der Liebe mit IPad

Die katholische Kirche in Deutschland hat am Freitag ihren Dialogprozess mit einer Konferenz in Hannover fortgesetzt. Unter dem Leitwort "Die Zivilisation der Liebe - unsere Verantwortung in der freien Gesellschaft" diskutieren 300 Teilnehmer aus allen deutschen Diözesen über das gesellschaftliche und politische Engagement der Kirche sowie über innerkirchliche Fragen, darunter Vertreter aus Orden und Verbänden sowie 33 Orts- und Weihbischöfe.

Impulsreferat: Bischof Bode (DR)
Impulsreferat: Bischof Bode / ( DR )

Die katholische Kirche in Deutschland wolle "Bausteine für eine Zivilisation der Liebe" suchen, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, zu Beginn des Forums. Es dürfe dabei kontrovers gerungen und auch alles angesprochen werden. Doch dürfe man nicht damit rechnen, dass es gleich auf alle Fragen eine Antwort gebe. Auch etwa das strittige Thema der wWiederverheiratet Geschiedenen werde besprochen, so der Konferenzvorsitzende.



Zugleich warnte er davor, die Veranstaltung als Parlament oder Synode misszuverstehen. Es würden keine Abstimmungen stattfinden und keine Mehrheitsentscheidungen gefällt. Vielmehr gehe es darum, die "neue Gesprächskultur" in der Kirche weiterzuentwickeln. Dennoch solle Hannover nicht folgenlos bleiben. "Es geht hier nicht um Beschlussfassungen, wohl aber um Ergebnisse, die für alle fassbar sind."



Bode für mutige Auseinandersetzung mit kirchlicher Sexuallehre

Der Osnabrücker katholische Bischof Franz-Josef Bode hat die Kirche dazu aufgerufen, sich um mehr Nähe zur Lebenssituation der Menschen heute zu bemühen. Dies gelte gerade beim Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen und dem Thema Sexualität, sagte Bode am Freitag in Hannover. "Es ist mir ein dringendes Anliegen, dass wir in diesen Fragen vorankommen." Erforderlich sei "eine neue und mutige, differenzierte und vertiefte Auseinandersetzung mit der Sexuallehre der Kirche", so der Vorsitzende der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz. Er äußerte sich in einem Impulsreferat beim zweiten Gesprächsforum der katholischen Kirche.



"Der generelle und dauerhafte Ausschluss der wiederverheiratet Geschiedenen vom Sakramentenempfang erscheint vielen bis in die Mitte der Kirche hinein als eine untragbare Konsequenz", sagte Bode. "Wiederverheiratete sind nicht einfach exkommuniziert, wie man oft denkt", bekräftigte er. Für Menschen aus gescheiterten Ehen müsse eine ganz neue Aufmerksamkeit geschaffen werden. "Wenn dies gelingt, können wir auch die Frage der Zulassung zu den Sakramenten nicht übergehen", sagte Bode.



Die Kirche "will und muss das Zeugnis der Treue Gottes in der von Jesus verkündeten Unauflöslichkeit der Ehe" als kostbares Gut bewahren, hob der Bischof hervor. Zugleich solle und wolle sie auch Zeichen der Barmherzigkeit Gottes setzen, der auch gescheiterten Menschen eine neue Möglichkeit anbiete, so Bode.



Overbeck zur Rolle der Frauen in der Kirche

Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck forderte in seinem Impulsreferat, der Kirche stärker "auch ein weibliches Angesicht" zu verleihen. Es seien häufig besonders die Frauen, die ihre "Kreativität und Weisheit, ihr tatkräftiges Engagement und solidarisches Vermögen" in die Kirche einbrächten. Daher müssten auch mehr Frauen Leitungsfunktionen in der Kirche wahrnehmen. Dabei müsse es aber um Positionen gehen, die nicht mit der Priesterweihe verbunden sind, betonte Overbeck.



Weiter verwies der Bischof darauf, dass die von der Kirche verkündeten Orientierungen zu Sexualität und Ehe in der gesellschaftlichen Vielfalt heute weniger Gehör fänden. Im Hinblick auf homosexuelle Partnerschaften unterstrich Overbeck: "Wenn die Kirche diese Lebensform zwar nicht als Institution anerkennen kann, verbietet sie jegliche Diffamierung und ungerechte Zurücksetzung gleichgeschlechtlich veranlagter Menschen und fordert Achtung und seelsorgliche Unterstützung für sie."



Marx fordert Neubestimmung des eigenen Engagements der Kirche

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx sagte in seinem Impulsreferat, leitende Fragestellung müsse für die Kirche heute sein: "Wie können wir die gesellschaftliche und politische Haltung der Kirche immer wieder anschlussfähig halten an unsere Gesellschaft, ohne dabei beliebig zu werden?" Tonangebendes Prinzip müsse für die Kirche immer das Eintreten für die Armen und die gesellschaftlich Benachteiligten sein, so der Erzbischof von München und Freising.



Marx forderte auch eine Neubestimmung des eigenen Engagements der Kirche. So müsse der Caritasverband sich seines Selbstverständnisses vergewissern. Die Caritas müsse darauf achten, "nicht als bloßer Lobbyist" der eigenen Einrichtungen aufzutreten und wahrgenommen zu werden, so der Kardinal. Für den Caritasverband sei es wichtig, auf die aktuellen Notlagen zu reagieren und nicht den Refinanzierungsmöglichkeiten zu folgen.



Kirchendialog mit 80 "iPads"

Beim Gesprächsprozess in Hannover dienen "iPads" als zentrales technisches Arbeitsmaterial. Auf den knapp 40 runden Tischen im Saal eines Hotels, an denen die gut 300 Teilnehmer des Kongresses verteilt in Gruppen sitzen, stehen jeweils zwei Tablet-Computer zur Verfügung. Die Gespräche über die Zukunft der Kirche und ihr Wirken in der Welt sollen so transparent und anschaulich gestaltet werden, erklärte der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer, am Freitag zu Beginn der Veranstaltung in Hannover.



Die Teilnehmer können ihre Statements im Laufe der Debatten direkt eingeben. Diese erscheinen sowohl auf einer Leinwand und können auch von allen anderen auf den Kleinrechnern angesehen und gesammelt werden. Ziel sei es, am Ende so auch Ergebnisse bündeln und präsentieren zu können. "Es soll konkret werden", sagte Langendörfer.



Mit der zweitägigen Konferenz setzt die katholische Kirche ihren Dialogprozess fort, der im vergangenen Jahr in Mannheim begonnen wurde. Die Bischöfe hatten den Dialogprozess in Reaktion auf den Missbrauchsskandal 2010 angestoßen, um Vertrauen zurückzugewinnen.