In Kolumbien ist es in der Nacht zum Dienstag erneut zu schweren Ausschreitungen gekommen. Zentrum der Unruhen war die Millionenstadt Cali, aus der zahlreiche Zusammenstöße zwischen der Polizei und Demonstranten gemeldet wurden. Unter anderem ging eine Polizeistation in Flammen auf, auf ein Hotel, in dem Polizisten untergebracht waren, wurde demnach ein Brandanschlag verübt. Zivile Organisationen berichten über massive Polizeigewalt.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat eine Art Beobachtungsstelle eingerichtet und die Bürger aufgerufen, Hinweise über Menschenrechtsverletzungen via Twitter einzureichen. In den Sozialen Netzwerken kursieren unzählige Videos, die Übergriffe seitens der Polizei dokumentieren sollen.
UN "zutiefst alarmiert"
Marta Hurtado, Sprecherin des UN-Menschenrechtskommissariats, erklärte am Dienstag, ihre Behörde sei zutiefst alarmiert über die Entwicklungen in Cali. Die Polizei habe das Feuer auf Demonstranten eröffnet, dabei sei es zu Toten und Verletzten gekommen. Das Büro in Kolumbien arbeite nun daran, die genaue Anzahl der Opfer zu überprüfen und die Ursachen für den schrecklichen Vorfall in Cali zu ermitteln.
Zudem gebe es Berichte, wonach Menschenrechtsverteidiger belästigt und bedroht worden seien. Bislang lägen dem UN-Menschenrechtsbüro seit einer Woche im Zusammenhang mit den Protesten Vorwürfe zu mindestens 14 Todesfällen vor, darunter mindestens ein Polizist.
Vermittlungsangebot des Erzbistums
Inmitten dieser Lage hat das Erzbistum Cali angeboten zu vermitteln. Erzbischof Dario de Jesus Monsalve bot an, für humanitäre Korridore zu sorgen. Straßenblockaden haben die Stadt teilweise von der Versorgung abgeschnitten. Nachbarn einiger Stadtteile wehrten sich daraufhin auf eigene Faust und wurden von Ex-Präsident Alvaro Uribe dabei mit Twitter-Kommentaren unterstützt. Es müsse gewährleistet sein, dass die Stadt versorgt werde, sagte ein Kommunalpolitiker laut der lokalen Tageszeitung "El Pais".
Erzbischof Jesus Monsalve hatte die Bildung einer "Humanitären Kommission" angeregt, die dabei helfe, die kritische Phase zu überwinden und die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Der Bischof von Cali hatte die Regierung in der Vergangenheit stets wegen des schleppenden Friedensprozesses mit der inzwischen befriedeten FARC-Guerilla sowie dem Ausbleiben weiterer Verhandlungen mit der immer noch aktiven ELN-Guerilla kritisiert. In der von Drogenbanden besonders umkämpften Region um Cali sowie an der nahen Pazifikküste kommt es seit Jahren immer wieder zu Gewaltausbrüchen.
Forderung nach Pakt für den Frieden
Erst im März hatten sich 14 Bischöfe der besonders von der Gewalt betroffenen kolumbianischen Pazifikküste getroffen und über die schwierige Menschenrechtslage in der Region gesprochen. Sie forderten einen Pakt für den Frieden und die Versöhnung in Kolumbien. Die unweit von Cali gelegene Stadt Buenaventura hat einen der am härtesten umkämpften Häfen des Landes. Die Stadt gilt als eine wichtige Drehscheibe für den Drogenhandel. In der Region kämpfen rechte paramilitärische Gruppen sowie linke Guerillaorganisationen gemeinsam mit der Drogenmafia um die Vorherrschaft im Drogenhandel.
Zuvor hatten drei Bischöfe aus der Pazifik-Region zur Solidarität mit der Bevölkerung aufgerufen. Zudem forderten sie die rechtsgerichtete paramilitärische Organisation AGC und die linksgerichtete ELN-Guerilla zu einem Waffenstillstand auf; sie seien besonders an den jüngsten Gewaltausbrüchen beteiligt.
Kolumbien wird seit Tagen von Protesten gegen eine inzwischen zurückgenommene Steuerreform von Präsident Ivan Duque erschüttert. Dabei kamen mehrere Menschen ums Leben. Die Demonstranten machen die Polizei für die Gewaltausbrüche verantwortlich, die Regierung spricht von gezieltem Vandalismus und urbanem Terrorismus.