WunderBar

Ich war jung und machte Fehler

„Sag mal, meine Chefin hat seltsam reagiert. Warum?“

Die Große ist sehr gewissenhaft, vertrauenswürdig und anstrengungsbereit. Am Telefon erzählt sie von einem vielleicht neuen Job. Weil das Geld gerade sehr knapp war, habe sie nach einem Vorschuss gefragt. Irgendwie aber habe ihre vielleicht neue Chefin komisch reagiert.

Ich halte kurz die Luft an, suche nach diplomatischen Worten, sage dann: Natürlich könne sie nach einem Vorschuss fragen, aber vor dem ersten Arbeitstag, wenn die neue Chefin noch gar keine Gelegenheit hatte, sie als zuverlässige Mitarbeiterin kennenzulernen, wäre es vielleicht problematisch.

Oh, sagt die Große, darüber habe sie gar nicht nachgedacht.

Oh, darüber hätten sie gar nicht nachgedacht, sagen die jungen, erwachsenen Kinder immer mal wieder.

Ich gestehe, ich denke dann öfters: oh! Jung hin, jung her, hätten sie damit nicht rechnen müssen?

Noch während ich denke, was meine großen Kinder alles so wissen müssten, bekomme ich eine E-Mail von meinem ersten Chefredakteur.

Der bekommt meine „Post von Angela“, also meinen Newsletter. Mein erster Chefredakteur schreibt:

„Liebe Angela, vielen Dank für Deine freundliche Neujahrsempfangspost. Auch an diesem Neujahrstag dachte ich an Dich, weil Du mich damals an Neujahr angerufen hast. Dein völlig überraschendes Telefonat werde ich wohl nie mehr vergessen.“

Während ich die E-Mail lese, dämmert es mir. Ja, ich erinnere, dass ich, nachdem ich auf meine Bewerbung als Jungredakteurin nichts gehört hatte, mal telefonisch nachgefragt hatte.

Völlig entfallen ist mir, dass ich an Neujahr angerufen habe. An NEUJAHR. Dem unpassendsten aller eh unpassenden Sonn- und Feiertage für einen Anruf beim potentiellen Chef.

Je mehr ich mir den Fauxpas meines jungen Hüpfer-Ich vergegenwärtige, desto röter vor Fremdscham sitze ich am Schreibtisch.

Wie kann man seinen potentiellen Chef an Neujahr anrufen? Also, ANRUFEN? Obwohl man, in diesem Falle frau, die Stelle doch haben wollte? Das hätte ich aber wirklich wissen müssen! 

Ich rechne nach. Damals war ich 28 Jahre alt. Älter als die Älteste heute ist.

Also, meine lieben, erwachsenen Kinder: hiermit leiste ich offiziell Abbitte. Ihr müsst noch gar nichts wissen.

Wunderbar, wenn Erwachsene jungen Menschen Fehler zugestehen: Die Große hat die Stelle trotzdem bekommen.

Und mein ehemaliger Chef schreibt: Wie schön, dass wir uns so kennengelernt haben.