WunderBar

Abenteuer Ghana - Warten genießen

Ich sitze im Büro des Principals, eines Schulleiters, in Ghana. Und warte. Eine Stunde, zwei Stunden, drei Stunden. Zu Hause wäre ich sehr genervt.

Mit meinem Oberstufenkurs bin ich nach Ghana gereist, um unsere Partnerschule zu besuchen.

Weil es eine Pionierreise ist, muss ich viele Dinge lernen, erfragen, mich orientieren. Herausfinden was geht und was nicht.

Um all das herauszufinden, bin ich mit einigen Menschen verabredet, zum Beispiel dem Principal der ghanaischen Berufsschule. Oder mit dem Leiter einer ghanaischen NGO, also einer Nichtregierungsorganisation. Oder mit den ghanaischen Chatparter:innen der deutschen Jugendlichen.

Der Principal kennt uns Weiße. Wenn wir uns verabreden, sagen wir um 10 Uhr in seinem Büro, sagt er oft schelmisch: but, please, african time!

So erinnert er mich daran, dass die Uhren in Ghana grundsätzlich anders gehen. 10 Uhr meint nicht eine feste Verabredung um Punkt zehn.

Zehn Uhr meint einen Zeitraum, keinen Zeitpunkt, also meint zehn Uhr vielleicht: am Vormittag.

Der Principal ist ein viel beschäftigter Mann. Wenn er plötzlich zu einem Meeting in die Provinzstadt Ho aufbrechen muss, dann sind das zwar nur 50 km auf der Landkarte, aber hin- und zurückfahren dauert gerne einen halben Tag.

Theoretisch weiß ich das alles. Praktisch aber macht es mich am Anfang nervös, wenn ich eine unbestimmte Zeit warten muss.

Beim Warten fällt mir das alte Sprichwort ein: Europa hat die Uhr, aber Afrika hat die Zeit.

Nach ein paar Tagen aber merke ich eine Veränderung bei mir. Das Klima und die feuchte Tropenhitze strengen mich an. Und als ich einmal nassgeschwitzt eine Weile im Büro des Principals sitze und warte, wird mir klar:

Ich muss gerade gar nichts. Die Jugendlichen, mit denen ich gereist bin, haben Programm und sind versorgt. Ich habe keine anderen Termine und auch sonst nichts vor.

Plötzlich fällt die Anspannung, die die Warterei meistens bei mir auslöst, einfach ab. Es ist, als fielen Gewichte von mir.

Plötzlich sitze ich da und eine große Ruhe breitet sich in mir aus.

Ich sitze einfach und schaue herum.

Als der Principal dann kommt, bin ich trotz Hitze erholt und wir haben ein gutes Gespräch.

WunderBar wäre, wenn mir auch hier zu Hause ab und an einfiele, wie erholsam warten sein kann!