WunderBar

Den Frieden muss man sich jeden Tag verdienen

Auf einmal habe ich viel Zeit. Wie so viele andere habe ich mir eine kleine Packung Coronaviren geholt.

Corona hat mich nur leicht erwischt. Es braucht dennoch seine Zeit, wieder auf die Beine zu kommen und nicht mehr so schnell müde zu werden. Zeit um in der Sonne zu sitzen, Tee zu trinken. Und zum Nachzudenken.

Zum Beispiel darüber, warum es mich nur so leicht erwischt hat. Natürlich liegt das daran, dass ich schon zweimal geimpft und einmal geboostert bin. Ohne auch nur eine der drei Spritzen zu bezahlen.

Und wenn ich jetzt langsamer machen muss, weil die kleinen Virenbiester in mir rumturnen, dann verdiene ich als Freiberuflerin zwar weniger. Aber ich habe eine Familie, die mir Tee kocht - und zusammen schaffen wir das schon.

Während ich also so in der Sonne im Garten herumsitze, bin ich also vor allem eines: dankbar.

Dankbar, dass ich in einem freien Land lebe, in dem alle dieselben Rechte haben, dankbar für unser Gesundheits- und unser Sozialsystem.

Da ich mittlerweile nicht mehr ganz so angestrengt bin, lese ich auch wieder zum Krieg. Und das In-der-Sonne-herumsitzen wird gleich noch bizarrer. Denn während ich hier sitze und alles habe, was ich brauche, haben andere Menschen: Krieg.

Während ich mich ausruhe, sterben junge Männer in Panzern oder Hubschraubern. Während ich mich ausruhe, leiden Kinder in Bunkern. Während ich mich ausruhe, verbluten Menschen.

Krieg heißt: Bomben fallen. Menschen sterben. Kinder leiden. Alle haben Angst. Niemand weiß, was kommt.

Ich kann nicht ändern, dass ich so viel Glück habe und andere gleichzeitig so viel Pech. Aber ich kann mein eigenes Glück und all die vielen Privilegien bemerken.

Und ich kann mich informieren.

Zum Beispiel mit einem Interviel mit Heidi Tagliavini in der NZZ. Die Schweizer Diplomatin hat in Tschetschenien, in Georgien und in Minsk vermittelt. Sie kennt Russland und Putin und russische Kriege.

Sie sagt, wir hätten besser zuhören sollen, wir hätten es besser wissen können.

Ob es uns passe oder nicht, Frieden brauche eine faire Lösung. Man müsse immer mit dem Verlierer leben, sonst sei der nächste Krieg absehbar.

Frieden brauche Freiheit und Demokratie. Und sei selbst dann nicht sicher. Frieden müssten wir uns jeden Tag neu verdienen.

Dann mal an die Arbeit.