23.04.2023 | 20:00 - 22:00 | Musica

Wie stark darf die Musik die Textaussage verändern?

Erbärmliche Menschen, strahlende Götter?

Sitz der Götter: Der Olymp in Griechenland / © dinosmichail (shutterstock)
Sitz der Götter: Der Olymp in Griechenland / © dinosmichail ( shutterstock )

Sendung

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Johannes Brahms war als evangelischer Christ ein hoffnungsvoller Mensch, der sich zwar vom Gedicht Hölderlins sehr inspiriert fühlte und die Textvorlage gekonnt vertonte - doch mit der geschilderten Ausweglosigkeit des Menschen fremdelte Brahms erheblich.

"Es schwinden, es fallen Die leidenden Menschen“ – ohne Hoffnung beschreibt Friedrich Hölderlin die Welt der Menschen, während in den zwei Strophen des Gedichtes im Roman zuvor die Götterwelt als "glänzend“ und "in stiller, ewiger Klarheit" existierend dargestellt wird.

Brahms glaubt an die Hoffnung

Der pessimistischen Sicht auf die Welt der Menschen wollte sich Brahms nicht ohne den Gedanken an Hoffnung anschließen.

Johannes Brahms Statue in Wien / © Roman Babakin (shutterstock)
Johannes Brahms Statue in Wien / © Roman Babakin ( shutterstock )

In einem Brief schrieb er über Hölderlins Gedicht: "Ich sage ja eben etwas, was der Dichter nicht sagt, und freilich wäre es besser wenn ihm das Fehlende die Hauptsache gewesen wäre." Die Hauptsache, das war für Brahms wohl die Hoffnung, dass durch den Glauben der Mensch Teilhabe am göttlichen Frieden haben kann und keine so trostlose Existenz fristen muss wie Hölderlin es formuliert.

Zu starke Verfremdung des Textes?

Um dies kompositorisch auch zu verdeutlichen, lies Brahms das Werk mit einem Orchesternachspiel ausklingen mit starken Parallelen zu dem Vorspiel, dass er für die beiden Strophen über die strahlende Götterwelt geschrieben hatte.

Nach der fatalistischen Menschenstrophe erklingt so ähnliche Musik wie zuvor bei der Beschreibung der Götter. Der Mensch kann also nach Brahms Ansicht durchaus Anteil am Göttlichen erhalten oder ist zumindest nicht ganz so erbärmlich, wie es die dritte Strophe nahelegt.

Hoffnung versus Texttreue

Allerdings haderte Brahms durchaus mit dieser Fassung des Schicksalsliedes, weil ihm klar war, dass er damit der Intention des Textes des Hölderlin-Gedichtes kaum entsprach.

Der Komponist überlegte, ob er den schweigenden Chor doch noch einsetzen sollte. Aber letztlich behielt er diese Fassung bei. Der optimistisch angehauchte Schluss erinnert so an den ähnlich positiven Abschluss seiner Vertonung des "Deutschen Requiems“.

Im Radioprogramm von DOMRADIO.DE erklingt das Schicksalslied ab 20 Uhr am Sonntagabend.

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