DOMRADIO.DE: Sie haben im vergangenen Jahr im Dom Ihr Dreikönigsoratorium uraufgeführt. Dieses Friedenskonzert am Mittwochabend hebt sich aber davon ab. (Hier geht´s zur Live-Übertragung)
Helge Burggrabe (Komponist und Leiter des HAGIOS Friedenskonzerts): Ja, das Dreikönigsoratorium war eine groß angelegte Komposition. Da haben insgesamt 150 Menschen mitgewirkt, die ganze Dommusik mit Chören, Solisten und dem Orchester.
Mittwochabend geht es in eine andere Richtung. Das ist ein Mitsingkonzert. Alle, die kommen, können lauschen, aber auch mitsingen, wenn sie möchten. Wir werden alle gemeinsam ein großer Chor sein und bringen die ganze Kathedrale zum Klingen.
DOMRADIO.DE: Es ist A-Cappella-Gesang, es gibt keine Musikinstrumente?
Burggrabe: Genau. Ich werde das anleiten. Es wird mit Anabelle Hund noch eine Sängerin vom Speyerer Dom da sein. An den Hauptmelodien kann man sich wunderbar orientieren, denke ich. Man muss noch nicht mal viel singen. Wir haben eine Grundregel, dass es an dem Abend keine falschen Töne gibt.
Für die Uraufführung haben die Chöre lange geübt. Dann kam irgendwann der Abend. Am Mittwoch kann einfach jede und jeder kommen und in den Gesang eintauchen, sodass der Gesang zum Gebet werden kann und einen gerade in dieser Zeit einfach stärken und kräftigen kann.
DOMRADIO.DE: Inwiefern kann dieses Konzert zu Frieden beitragen? Sie nennen es ein Friedenskonzert.
Burggrabe: Ich denke, das ist ein riesengroßer Wunsch von uns allen. Es ist schwerer, das im ganz Alltäglichen umzusetzen. Aber genau das ist der Punkt, bei dem wir alle aus der Ohnmacht herauskommen und merken können, wenn wir in uns selber einen Frieden erzeugen, können wir etwas zum größeren Frieden beitragen.
Das ist sogar die Grundvoraussetzung. Ein äußerer Friede ist erst möglich, wenn wir an diesem inneren Frieden arbeiten. Da ist Gebet, Gesang, eine Klärung, auch ein Klarwerden, wofür stehe ich ein, welche Haltung ich habe, ganz essenziell, damit es zu einem äußeren Frieden kommt.
DOMRADIO.DE: Wie würden Sie die instrumentale Musik beschreiben?
Burggrabe: Es sind wiederkehrende Gesänge. Manche kennen wahrscheinlich die Taizé-Gesänge. Das ist ganz ähnlich. Die Tradition ist natürlich noch viel älter. Im Klostergesang hat man immer Lieder wiederholt und durch diese Wiederholung ist das Ganze in eine Vertiefung gekommen, in eine Verdichtung und auch ins Gebet.
An diese Tradition knüpfe ich an. Es sind kurze, sich wiederholende Sätze. Insofern kann man ganz schnell einsteigen, auch wenn man die vielleicht am Anfang noch nicht kennt. Am Ende singt immer die ganze Kirche. Es ist wirklich wunderbar zum Einsteigen.
DOMRADIO.DE: "Es ist ein Klang", so heißt dieses von Ihnen komponierte Stück. Wie geht es Ihnen aktuell mit den mindestens zwei Krisenherden in der Weltpolitik, in der Ukraine, im Nahen Osten? Wie sehr besorgt Sie die Großwetterlage?
Burggrabe: Auf der einen Seite ist das Entsetzen da. Wie können wir Menschen uns gegenseitig so etwas antun? Zum anderen fordert mich das in besonderer Weise heraus. Was können wir selber dazu beitragen, dass es gar nicht erst soweit kommt?
Das sind Dynamiken, die wie ein Karussell in Gang kommen. Wenn das erst mal in Gang ist, wird es immer schwieriger. Wie jetzt im Nahostkonflikt scheint es fast unlösbar zu sein. Wie kommt es dort jetzt noch zu einem Frieden?
Insofern möchte ich mit allen Projekten, mit allen Ideen dazu beitragen, dass wir, soweit wir hier in Deutschland noch im Frieden leben, alles dafür tun, dass es nicht undemokratischer wird und in die Spaltung geht.
Ich denke, es berührt alle Menschen, was dort passiert. Aber wenn diese Konflikte zur offenen Gewalt ausbrechen, wird es fast unmöglich und sehr schwierig, noch den Frieden herzustellen.
DOMRADIO.DE: Sie treten mit Ihrem HAGIOS Friedensabend nicht zufällig im Kölner Dom auf. Wo sehen Sie den Auftrag von Kirche?
Burggrabe: Wenn wir so herausgefordert werden, wie bleiben wir noch in einer Zuversicht, in einem Trost, dass das Ganze, dieses Leben noch einen Sinn hat?
Da ist es wunderbar, wenn man eine Anbindung erlebt, eine Quelle, etwas, was wir Gott nennen können, eine göttliche Wirklichkeit, die eben über unser Menschsein hinausweist. Das als Quelle zu haben, die uns stärkt, die uns kräftigt und damit auch resilient macht, ist essenziell in dieser Zeit.
Es ist ein riesengroßer Auftrag, für Glauben, für Kirche, da zu sein und zu sagen, dass es eine größere Quelle gibt und sich an die anzubinden und auch manches, was wir uns als Menschen denken und was uns wichtig erscheint, vielleicht noch mal zu relativieren und zu fragen, was eigentlich wichtig ist und vielleicht mehr in die Demut, in die Bescheidenheit zu kommen.
(Hier geht´s zur Live-Übertragung)
Das Interview führte Tobias Fricke.