DOMRADIO.DE: HAGIOS ist altgriechisch und bedeutet so viel wie heilig. Ein "Heiliger Abend" also, inwiefern?
Helge Burggrabe (Leiter der HAGIOS-Friedenskonzerte): Dieses Wort "Heilig" steht manchmal wie auf einem Sockel. Ich würde sagen, dass Heilige ist letzten Endes überall und sollte auch unbedingt im Alltag integriert sein und nicht nur für besondere Momente reserviert sein.
Ich habe die Reihe so genannt, weil das die Idee dahinter ist. Sich zu versammeln in solchen besonderen Räumen wie dem Kölner Dom oder in anderen Kirchen und dabei über das Wort, über das Gebet und eben auch ganz wesentlich über die Musik einen Zugang zu finden. Einen Zugang zu diesem nicht nennbaren größeren, was man Gott nennen kann. Das ist die Idee.
DOMRADIO.DE: Was passiert denn bei diesen Abenden?
Burggrabe: Augustinus hat mal gesagt: Wenn wir singen, dann beten wir doppelt. Ich habe den Eindruck, dass die Musik eine wunderbare Tür ist, um mit diesem Geistigen in Verbindung zu kommen und um zu merken, dass dies auch mit mir zu tun hat. Es kann mich stärken. Ich kann in den Gesang eintauchen.
Es gibt an diesem Abend nur eine Regel und die heißt: Es gibt keine falschen Töne. Es geht nicht um eine Perfektion im Gesang, nicht um einen Chorgesang für andere, sondern darum, über den Gesang in den eigenen Innenraum zu kommen. Das kann man eben auch als Gebet bezeichnen.
DOMRADIO.DE: Können auch Anfänger mitsingen? Wie schwierig ist das?
Burggrabe: Es gibt eine eindeutige Hauptmelodie. Die kann man mitsingen. Wer Chorerfahrung hat und Lust hat, eine Nebenstimme zu singen, kann sich dafür ein Gesangsheft nehmen, die an dem Abend auch ausgeteilt werden. Dann kann man auch eine andere Stimme und in Mehrstimmigkeit singen.
Es ist egal, wie viel man mit Musik zu tun hat. Jeder findet einen Zugang. Das Besondere am Freitagabend ist, dass die Geigerin Ingwe Murtada aus Holland dabei sein wird. An der Geigenstimme kann man seinen Gesang dann auch orientieren. Das wird ein großes Erlebnis. Die Atmosphäre im Dom mit den vielen anderen wird gerade nach dieser Corona-Zeit wieder ganz besonders.
DOMRADIO.DE: Was unterscheidet denn dieses gemeinschaftliche Musikerlebnis mit gemeinsamem Gebet von einem klassischen Konzert?
Burggrabe: Es hat natürlich beides etwas für sich. Bei dem klassischen Konzert haben Menschen etwas über längere Zeit vorbereitet und dann ist der große Moment da, das Publikum lauscht und nimmt das auf. Auch da kann man über das Zuhören eintauchen.
Aber ich habe den Eindruck, dass das Partizipative immer wichtiger wird. Dort, wo ich selber Teil bin, kann ich wirklich selber etwas beitragen und dadurch noch mehr und umfassender mit hineingenommen werden.
DOMRADIO.DE: Sind Sie denn selbst ein spiritueller Mensch?
Burggrabe: Ich bin auf jeden Fall im Glauben verankert und habe den Eindruck, dass das einen Halt geben kann wie ein Kompass. Gerade in so bewegten Zeiten wie jetzt, in der immer mehr Krisen auftauchen.
Der Glaube gibt Halt, sodass es mich eben nicht gleich aus der Bahn wirft. Auch da setzt die Idee von so einem HAGIOS-Abend an. Es geht darum, dass wir selbst in einen Frieden kommen; dass wir bei uns selbst in diese Klarheit kommen. Aus dieser Klarheit heraus können wir dann wieder nach außen gehen und friedensstiftend wirken.
Das Interview führte Elena Hong.