Ahnenstäbe - Symbol für Kulturerbe und Missionsgeschichte

Ein Vertreter der Herero-Gemeinde zeigt Fotos seiner Vorfahren, die vor dem Völkermord in Namibia zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Botsuana geflohen sind. / © Gioia Forster (dpa)
Ein Vertreter der Herero-Gemeinde zeigt Fotos seiner Vorfahren, die vor dem Völkermord in Namibia zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Botsuana geflohen sind. / © Gioia Forster ( dpa )

Die Ahnenstäbe der Vereinigten Evangelischen Mission (VEM) sind Kultgegenstände der Herero, die ein Missionar einst aus Deutsch-Südwestafrika/Namibia nach Hause schickte. Heute zählen sie zu "sensiblen Objekten" kolonialen Erbes, deren Zur-Schau-Stellung nicht unumstritten ist. Die im Wuppertaler Museum Auf der Hardt aufbewahrten Stäbe sind allerdings kein Raubgut kolonistischer Strafexpeditionen, sondern ein Stück Missionsgeschichte.

Der rheinische Missionar Johann Jakob Irle (1843-1924), Verfasser eines Buches über die Herero und eines Deutsch-Herero-Wörterbuchs, schilderte im Jahr 1901 in einem Brief an die Deputation der Rheinischen Missionsgesellschaft in Wuppertal, wie er zu den Stäben kam: Der Herero-Chief Kukuru übergab sie ihm im Rahmen seines Tauf-Festes. Kukuru war der letzte seiner Sippe, der sich taufen ließ. Irle, der unter den Angehörigen des Stammes missioniert hatte, kannte ihn seit langem.

Es ist ein aus acht Teilen bestehendes Konvolut, das sich heute im Museumsdepot auf dem "Heiligen Berg" befindet: Mit Lederriemen umwickelte Äste, die eine Gabelung aufweisen und an deren Ende ein kleinerer Holzstab hängt, der zum Feuer machen verwendet wurde. Für das Viehzüchtervolk der Herero hatten sie eine große Bedeutung. Die Herero verehrten ihre Ahnen, von denen sie Herde und Feuer geerbt hatte. Die Stäbe, die die Vorfahren benutzt hatten, wurden bei besonderen Anlässen um das Feuer herum aufgestellt, wie es in einem "Namibia"-Reisebuch heißt.

Da eine Astgabel geflickt wurde, sei nicht aufzuschließen, dass dieser Ahnenstab bewusst zerbrochen wurde, um die Absage an den alten Glauben zu unterstreichen, sagt der Wuppertaler Museumskurator Christoph Schwab. Dies lasse sich aber nicht belegen. Aus der Familie Kukurus gingen laut VEM später einige Pfarrer hervor, die sich auf die Bekehrungsgeschichte berufen haben - darunter der Enkel Andreas Kukuru, der aus mündlicher afrikanischer Tradition über die Taufe seines Großvaters berichtete.

Als die Ahnenstäbe 2018 als Leihgabe in einer Dresdner Ausstellung gezeigt wurden, rief dies die Kritik des namibischen Historikers Dag Hendricks hervor. Dass diese "heiligen Objekte" in Deutschland seien und nun sogar in Vitrinen ausgestellt würden, sei eigentlich undenkbar, sagte Hendricks dem Deutschlandfunk. "Es gibt keinen Gegenstand, der sakraler ist in der Herero-Gesellschaft als diese Ahnenstäbe, sie können hier nicht bleiben." Die Stäbe seien viel wichtiger für die lokale Erinnerungskultur als etwa die (inzwischen restituierte, Anm. der Red.) Säule von Cape Cross, ein steinernes Zeugnis portugiesischer Kolonial-Herrschaft, fügte er hinzu.

Das Museum hatte allerdings vor der Ausstellung die Zustimmung eines Nachfahren von Kukuru eingeholt, eines namibischen Journalisten, der selbst kein Christ ist. Auch die Namibian Museum Association (NMA) weiß von den Ahnenstäben. "Es gab keine Restitutionsforderungen", sagt Kurator Schwab. Das Inventar seines Hauses gehört heute allen VEM-Mitgliedskirchen aus den ehemaligen Missionsgebieten gemeinsam, darunter auch die Evangelisch-Lutherische Kirche in der Republik Nambia (ELCRN). (epd / Stand 08.08.2019)