Der Sonntag begann für die 650 Bischöfinnen und Bischöfe mit einem Festgottesdienst, der alles bot, was ein anglikanisches Herz höherschlagen lässt: Kirchenmusik von höchster Qualität, geistlichen Zuspruch in vielen Sprachen, eine freudig-andächtige Gemeinde aus aller Welt - und all das in der atemberaubenden Architektur der Kathedrale von Canterbury. Damit ist die 15. Lambeth-Konferenz offiziell eröffnet. Nun gilt es für die Teilnehmer aus 165 Ländern, eine Woche lang über "Gottes Kirche für Gottes Welt" zu diskutieren.
Den Anfang machte das Thema Mission und Evangelisierung: Wie kann die anglikanische Kirche neue Anhänger gewinnen und den Menschen dienen? Hierzu wurde gemäß dem Konferenz-Prozedere der Entwurf eines "Aufrufs" ("Call") präsentiert, den die Vorbereitungsgruppe auf Basis von Online-Gesprächen zum Thema erstellt hatte, an denen im vorigen Jahr 500 Bischöfe in 20 Gruppen teilnahmen.
Bei der Konferenz selbst, die keinerlei rechtlich bindenden Charakter für die 43 Kirchenprovinzen hat, wie Gastgeber Erzbischof Justin Welby von Canterbury immer wieder betont, diskutieren die Bischöfe die etwa acht Entwürfe und stimmen darüber ab. So war es zumindest bis Sonntagabend. Dann entschieden die Verantwortlichen, die elektronischen Abstimmungsgeräte wieder wegzupacken und nur jeweils inhaltliche Voten der Bischöfe einzuholen. Ohnehin sollen sie nach der Konferenz ihre Erkenntnisse mit den Gläubigen ihrer Diözesen teilen und erörtern.
Zum nicht unumstrittenen Thema Mission und Evangelisierung schildert Erzbischof Melter Tais, Bischof von Sabah in Malaysia, seine Erfahrungen. "Wir mobilisieren alle Kräfte, die Missionsarbeit voranzutreiben, denn das ist die Hauptaufgabe der Kirche", meint Tais, Primas von Südostasien, der vermutlich am schnellsten wachsenden anglikanischen Provinz. Sie umfasst Indonesien, Singapur, Thailand, Laos, Kambodscha, Brunei, Malaysia, Vietnam und Nepal.
Eine der größten Herausforderungen in diesen Ländern sei ihre multiethnische und multireligiöse Prägung. "Und besonders in Malaysia haben wir mit Islamisierung zu kämpfen. Mehr als 60 Prozent der Bevölkerung sind Muslime." In manchen Ländern sei es sogar ein Verbrechen, zum Christentum zu konvertieren.
Ein weiteres Problem ist die schwierige geografische Situation. "In ländlichen Gebieten muss man mit Booten reisen, und selbst wenn es Straßen gibt, kann man sie kaum benutzen", berichtet der Bischof. "Trotz allem: Wir glauben, dass die Frohe Botschaft gut für jeden Menschen ist, deshalb tun wir alles, um sie zu verbreiten, selbst wenn es uns in Gefahr bringt", unterstreicht Tais. Der Erfolg gibt ihm Recht: Zu den Sonntagsgottesdiensten kommen immer mehr Menschen. Nun gehe es darum, junge Menschen zu erreichen, die Bestimmer von morgen.
Ein deutlich schmerzlicheres Thema, mit dem sich alle Religionen und gesellschaftlichen Gruppen konfrontiert sehen, stand am Sonntag an: "Safe Church", also das Thema Missbrauch und die Frage, wie sich jeder in der anglikanischen Kirche sicher fühlen kann. Dazu wurden 2019 Richtlinien (Guidelines) verabschiedet, die in jeder Provinz umgesetzt werden sollten, wie Mandy Marshall betont, Leiterin der Gender-Kommission der Anglikanischen Gemeinschaft. In vielen Ländern würden gerade Erhebungen zum Thema sexualisierte Gewalt erstellt.
Bischof Cleophas Lunga von Matabeleland in Simbabwe berichtete als Stimme des globalen Südens von einer Kultur des Schweigens, die in manchen Ländern von Familie und Gesellschaft gefördert werde. Auch Kulturen, in denen Männer als wertvoller und mächtiger als Frauen gelten, seien häufiger gefährdet.
Bei der Lambeth-Konferenz verpflichten sich die Bischöfe erneut, die Sicherheit aller Menschen zur Priorität zu machen und Informationen über Geistliche in Zusammenhang mit Missbrauch auszutauschen. "Das Schweigen muss gebrochen, die Vergangenheit aufgeklärt werden, die Kirche muss sich entschuldigen", fordert Mandy Marshall.
Am Montag beraten die Bischöfe über das Thema "anglikanische Identität", am Dienstag dann über "menschliche Würde", das das Reizthema Umgang mit Homosexuellen umfasst. Nicht wenige erwarten hier eine Zerreißprobe.
Von Sabine Kleyboldt (KNA)