Januar 2010: Der Jesuit Klaus Mertes macht öffentlich, dass es an seiner Schule in Berlin sexualisierte Gewalt und Missbrauch gab - und die Fälle lange verschleiert wurden. Der Skandal löst eine Welle von Enthüllungen in der Kirche und in anderen Institutionen aus.
Februar 2010: Die katholischen Bischöfe bitten bei ihrer Vollversammlung in Freiburg um Entschuldigung. Ein Sonderbeauftragter (Bischof Stephan Ackermann aus Trier) wird benannt, eine Hotline für Betroffene eingerichtet.
März 2010: Die Kirche sitzt mit am von der Bundesregierung eingerichteten Runden Tisch.
August 2010: Die Bischöfe verschärfen ihre «Leitlinien zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch». Glaubhaft verdächtigte Geistliche müssen umgehend vom Dienst suspendiert werden.
September 2010: Die Bischöfe stellen ein Präventionskonzept vor. Gegründet wird auch ein «Präventionsfonds» für besonders innovative kirchliche Projekte. Die Bischofskonferenz legt am Runden Tisch ein Konzept zur Entschädigung der Opfer sexuellen Missbrauchs vor. Dazu gehört die Zahlung eines Geldbetrags, der als «finanzielle Anerkennung» des zugefügten Leids gelten soll.
Juli 2011: Die Bischöfe kündigen zwei Forschungsprojekte zur wissenschaftlichen Aufarbeitung von Missbrauch in der Kirche an.
Dezember 2012: Die Ergebnisse des ersten Forschungsprojekts werden vorgestellt. Der Forensiker Norbert Leygraf kommt darin zu dem Schluss, dass nur wenige katholische Priester, die Minderjährige missbraucht haben, im klinischen Sinne pädophil seien.
März 2014: Die Bischöfe beauftragen einen Forschungsverbund um den Mannheimer Psychiater Harald Dreßing mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung. Sie soll quantitative Daten zur Häufigkeit und zum Umgang mit sexuellen Handlungen an Minderjährigen durch Geistliche erheben. Darüber hinaus sollen Täterstrategien, Opfererleben und das Verhalten der Verantwortlichen untersucht werden.
September 2018: Die bundesweite Untersuchung, die MHG-Studie, wird in Fulda vorgestellt. Demnach gab es in den Akten von 1946 bis 2014 Hinweise auf rund 3.700 Betroffene sexueller Übergriffe. Beschuldigt werden 1.670 Priester und Ordensleute. Experten gehen von einer hohen Dunkelziffer aus. Die Bischöfe verpflichten sich, Betroffene und unabhängige Fachleute stärker in die Aufarbeitung einzubeziehen.
März 2019: Nach intensivem Ringen beschließen die deutschen Bischöfe einen «verbindlichen Synodalen Weg», um nach dem Missbrauchsskandal Vertrauen zurückzugewinnen und systemische Ursachen des Missbrauchs zu überwinden.
März 2020: Die Bischöfe beschließen ein neues Konzept zur Wiedergutmachung. Opfer können künftig mit deutlich höheren Schmerzensgeldzahlungen als bisher rechnen. Die Kirche orientiert sich an der zivilrechtlichen Schmerzensgeld-Tabelle und entsprechenden Gerichtsurteilen. Dies bedeutet für sexuellen Missbrauch Summen zwischen 5.000 und 50.000 Euro pro Fall.
Juni 2020: Die Bischöfe und der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes Wilhelm Rörig, unterzeichnen eine Vereinbarung zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch. Demnach soll die Aufarbeitung transparent und nach einheitlichen Kriterien erfolgen. Auch sollen unabhängige Experten an dem Prozess teilnehmen.
August 2020: Die katholischen Ordensgemeinschaften stellen die Ergebnisse einer Mitgliederbefragung: Es gibt Missbrauchsvorwürfe gegen mindestens 654 Ordensleute und wenigstens 1.412 betroffene Kinder, Jugendliche und Schutzbefohlene.
Mai 2021: Der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, bietet Papst Franziskus seinen Rücktritt an. Er wolle damit Mitverantwortung tragen für «die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs». Anfang Juni lehnt der Papst ab; der Kardinal soll weitermachen.
Oktober 2022: In einem Video bekennt sich der emeritierte Freiburger Erzbischof und frühere Vorsitzende der Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, zu Fehlern im Umgang mit Missbrauch. Er bittet Betroffene um Verzeihung.
Februar 2023: Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei in München durchsuchen Räumlichkeiten des Erzbistums München und Freising, darunter im Ordinariat und im Erzbischöflichen Palais. Beobachter sprechen von einer Zeitenwende im Verhältnis zwischen Justiz und Kirche.
März 2023: Mit dem Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode tritt erstmals ein katholischer Bischof im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal zurück.
Juni 2023: Erstmals verurteilt ein Gericht eine katholische Diözese zur Zahlung von Schmerzensgeld an ein Missbrauchsopfer. Das Landgericht Köln spricht einem Missbrauchsbetroffenen 300.000 Euro Schmerzensgeld zu. Darauf angerechnet werden bereits vom Erzbistum Köln an das Opfer ausbezahlte 25.000 Euro in Anerkennung des Leids.
(KNA/14.09.2023)