Seit Mitte des 20. Jahrhunderts leidet Kolumbien unter diversen bewaffneten Konflikten und Gewalt mit insgesamt mehr als 220.000 Toten. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) zeichnet wichtige Stationen nach:
1810er Jahre: Das heutige Kolumbien und seine heutigen Nachbarländer erkämpfen ihre staatliche Unabhängigkeit von Spanien. Die Demokratie im Land (seit 1886), lange Zeit eher eine restaurative Oligarchie, ist seit jeher angefochten.
1948: Beim "Bogotazo", einem linken Volksaufstand, gehen Teile der Hauptstadt in Flammen auf. Ein Attentäter hatte den populären Anführer der Liberalen Partei erschossen. Ein wütender Mob lyncht den Mörder und stürmt den Präsidentenpalast. Die gemeinsame Geschichte des kolumbianischen Volkes zerbricht in Gruppen.
seit 1958: "Violencia", die besonders gewaltsame Phase des Bürgerkriegs zwischen Liberalen und Konservativen, mit vielen tausend Toten.
um 1964-1970: Entstehung von linken, sozialrevolutionären Rebellenorganisationen wie FARC, ELN und der Stadtguerilla M-19
Die FARC führt einen bewaffneten Kampf gegen Staat und Armee, später auch gegen rechte Paramilitärs und Drogenbarone. Zu zentralenEinnahmequellen werden später Entführung (auch von Zivilisten), Erpressung und Drogengeschäfte mit Cannabis und Kokain. Hauptaktionsgebiet der FARC ist der Süden Kolumbiens.
Die zunächst intellektuell ausgerichtete ELN stellt sich in die Tradition von Bauernaufständen. Der Befreiungstheologe und katholische Priester Camilo Torres wird 1966 mit nur 37 Jahren bei seinem ersten Kampf für die ELN getötet.
1973: schwere militärische Niederlage der ELN. Sie reorganisiert sich im Norden und Nordosten Kolumbiens neu und betreibt nun auchSozialfürsorge für Indigene. Tendenziell lehnt die ELN Koka-Anbau ab, strebt eine Nationalisierung der Bodenschätze an. Sie finanziert sich vor allem durch Entführungen und Erpressung von Lösegeld.
1970er/80er Jahre: Kolumbien wird zu einem der größten Kokain-Produzenten der Welt. Rivalisierende Drogenkartelle terrorisieren zunehmend den Staat und seine Beamten, vor allem das Kartell von Medellin unter Pablo Escobar. Die FARC findet einerseits neue Anhänger unter Koka-Bauern und erpresst Drogenkriminelle; andererseits verdingen sich auch FARC-Kämpfer in Diensten der Kartelle.
Kolumbien zerfällt zunehmend in regionale Fragmente, die entweder noch vom Staat oder aber von verschiedenen Rebellengruppen, vonDrogenkartellen oder rechten Paramilitärs kontrolliert werden. Wechselnde Bündnisse. Die lokale Bevölkerung steht vielfach zwischen den Fronten.
1993: Gewaltsamer Tod Escobars. Seit der Niederwerfung des Medellin-Kartells verzeichnet das Land ein stetiges Wirtschaftswachstum.
2002-2010: Gewaltsame Rückeroberung von Elendsquartieren, etwa in Medellin, durch rechtsgerichtete Paramilitärs und die konservative Regierung von Präsident Alvaro Uribe. Auf dem Land werden Drogenanbaugebiete zum Teil aus der Luft vernichtet.
2008: Der Internationale Strafgerichtshof beziffert den Anteil der Morde an Zivilisten im kolumbianischen Bürgerkrieg durch rechtsextreme Paramilitärs auf 80 Prozent. Guerillas seien für 12 Prozent der Morde verantwortlich, reguläre Regierungstruppen für 8 Prozent.
2010-2018: Präsident Juan Manuel Santos leitet einen Friedensprozess ein.
Juni 2016: Abschluss eines Waffenstillstands zwischen FARC-EP und Regierung. Mit einer weitgehenden Entwaffnung der FARC-Rebellen gewinnt die Staatsmacht in großen Teilen des Landes an Hoheit zurück. Beabsichtigt ist, die verbliebenen rund 7.000 FARC-Aktivisten schrittweise in die Zivilgesellschaft zu integrieren. Die FARC wird politische Partei.
2018-2022: Die neue konservative Regierung des Uribe-Schülers Ivan Duque blockiert Teile des Friedensprozesses. Im Sommer 2019 kündigt ein kleiner Teil früherer FARC-Anführer ihre Wiederbewaffnung an, da die Regierung Friedensvereinbarungen nicht eingehalten habe. Auch derFriedensprozess mit der ELN, der größten verbliebenen Rebellengruppe, stockt.
Friedensprozess und wirtschaftlicher Aufschwung bleiben brüchig; Kriminalität, Drogenhandel, Menschenrechtsverletzungen und Perspektivlosigkeit in großen Teilen der Jugend bleiben prägende gesellschaftliche Realitäten. Vor allem in abgelegenen Regionen, in denen mit dem Friedensschluss ein lokales Machtvakuum entstand, kämpfen neue Player um neue Claims. Nach Auskunft von Experten sind Morde örtlich weiterhin verbreitet; sie geschehen aber anonymer und subtiler. Vor allem mögliche Multiplikatoren eines gesellschaftlichen Wandels würden beseitigt.
2022: Nach Massendemonstrationen wird mit dem früheren M-19-Guerillero Gustavo Petro erstmals in der Geschichte der Republik Kolumbien ein linker Regierungschef/Präsident gewählt. Im Sommer 2023 befristeter Waffenstillstand mit der ELN. Pedro kündigt an, den Kampf gegen Drogen nicht mehr militärisch, sondern gesundheitspolitisch führen zu wollen. Agrarpolitische Unterstützung für Ersatzprodukte wie etwa Bio-Kakao bleibt jedoch weiter aus. (Quelle: KNA, 14.2.2024)