Kitschig oder schlicht, aus Holz, Metall oder Plastik, mit Korpus oder ohne – seit Jahrzehnten stellen Menschen in Litauen Kruzifixe auf den Berg der Kreuze (Kryžiø kalna). Zehntausende sind so mittlerweile zusammengekommen. Seit Donnerstag steht auch ein Dialogkreuz des Bistums Essen an dem Wallfahrtsort im Norden der baltischen Republik. Mitgebracht und dort aufgestellt hat es der Kölner Theologe und Journalist Klaus Nelißen, der in diesem Sommer in Litauen unterwegs ist.
Neben unendlich vielen persönlichen Geschichten war der Berg der Kreuze auch immer ein politischer Ort. Viele Kreuze stehen für Opfer der sowjetischen Besatzung zwischen 1940 und dem Anfang der 1990er Jahre. Und als die sowjetischen Machthaber den – damals noch deutlich übersichtlicheren – Kreuz-Hügel angesichts seiner Symbolkraft als Ort des Widerstands Anfang der 1960er Jahre niederwalzten, standen am nächsten Tag mehr Kreuze dort als zuvor. Über Nacht eilig aufgestellt und eingegraben von mutigen und gläubigen Menschen in Litauen. Ein Prozedere, das sich in den folgenden Jahren wiederholte und stets nur für mehr Widerstand sorgte – während die Popularität des Berges mit der Zahl der Kreuze wuchs. Nelißen: "Der Berg der Kreuze zeigt, wie viel Substanz an Glauben geblieben ist – trotz kommunistischer Besatzung und KGB-Bespitzelung." Wohl auch deshalb ist Papst Johannes Paul II. 1993 zum Berg der Kreuze gekommen, um dort zu beten.
Bald 30 Jahre später könnte die politisch-religiöse Bedeutung des Berges der Kreuze für die Menschen in Litauen wieder wichtiger werden: Zwischen der russischen Enklave Kaliningrad und Weißrussland wächst die Angst vor Spannungen mit den Nachbarstaaten. Als Teil der Nato soll die deutsche Bundeswehr in Litauen helfen, für Sicherheit sorgen. Gut 120 Kilometer südöstlich vom Berg der Kreuze in Rukla stationiert, laden die Militärseelsorgerinnen und -seelsorger immer wieder zu Pilgerfahrten zum Berg der Kreuze ein. (tr)
Das Essener Dialogkreuz ist ein Metallgerüst, zusammengesetzt aus einem langen und einem kurzen Element, stabil und transparent zugleich. Erdacht und konstruiert von Pater Abraham Fischer in seiner Schmiede in der sauerländischen Benediktinerabtei Königsmünster, steht dieses Kreuz seit 2011, dem Beginn des Dialogprozesses im Bistum Essen, symbolisch für eine neue Kultur des Dialogs und des Miteinanders in der Kirche zwischen Rhein, Ruhr und Lenne. Eine Kultur, die von Offenheit geprägt sein soll. Hinter diesem Kreuz kann man sich nicht verstecken - aber es steht für Halt und Stabilität. Seit dem vergangenen April ist das Dialogkreuz zudem das zentrale grafische Logo des Bistums Essen. (Bistum Essen/2022)