Leichen, Blutlachen und verstreutes Gepäck: Es sind grausame Bilder von Tod und Verwüstung in Kramatorsk. Bei einem Raketenangriff auf den Bahnhof der ostukrainischen Stadt wurden Dutzende Menschen getötet, der ukrainische Geheimdienst SBU sprach am 8. April von 39 Toten, davon 4 Kinder. Dutzende wurden verletzt. Etwa 4000 Menschen hätten sich am Bahnhof aufgehalten, sagte Bürgermeister Olexander Hontscharenko. Die ukrainischen Behörden hatten angesichts einer erwarteten russischen Offensive die Bevölkerung der Gebiete Donezk und Luhansk zur Flucht aufgerufen. Kramatorsk wird von ukrainischen Truppen kontrolliert, gilt aber als Ziel der Russen.
Raketenangriff auf zivile Einrichtung
Videos vom Vortag vermitteln ein Bild davon, wie chaotisch die Lage gewesen sein mag. Viele Menschen, die Koffer und Taschen bei sich hatten, wollten aus Angst vor Angriffen die Stadt verlassen. Dann schlugen vermutlich zwei Raketen ein. Im Nachrichtendienst Telegram kursiert ein Video, das den Abschuss aus der Nähe von Schachtarsk zeigen soll. Die Stadt liegt in der von prorussischen Separatisten kontrollierten Region des Gebiets Donezk.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gab Russland die Schuld. "Da ihnen die Kraft und der Mut fehlen, sich auf dem Schlachtfeld gegen uns zu behaupten, zerstören sie zynisch die Zivilbevölkerung", schrieb er bei Instagram. "Dies ist ein Übel, das keine Grenzen kennt. Und wenn es nicht bestraft wird, wird es nie aufhören."
Zugreise der EU-Kommissionspräsidentin
Der Angriff geschah am selben Tag, an dem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell als Zeichen der Unterstützung mit einem Zug nach Kiew reisten. Borrell verurteilte den Angriff auf Kramatorsk: "Dies ist ein weiterer Versuch, Fluchtrouten zu schließen für diejenigen, die diesem ungerechten Krieg entfliehen wollen, und menschliches Leid herbeizuführen", twitterte er. Die britische Außenministerin Liz Truss betonte: "Ein Angriff auf Zivilisten ist ein Kriegsverbrechen."
Russland wies die Vorwürfe hingegen strikt zurück. Das Verteidigungsministerium in Moskau sprach von einer "Provokation". "Unsere Streitkräfte nutzen diesen Raketentyp nicht", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow russischen Agenturen zufolge. Im Blick hatte er den mutmaßlich verwendeten Typ Totschka-U. Militärexperten und Investigativreporter bezweifeln diese Darstellung. Die Totschka-U gilt als weniger zielgenau als die Iskander, die Russland häufig eingesetzt hat.
Konzentration in der Ostukraine
Doch die Kämpfe in der Ostukraine gehen weiter. In der Nacht zum Freitag meldete der ukrainische Generalstab, mehrere russische Vorstöße hätten keinen Erfolg gehabt. Allerdings ziehe der Feind weiter Truppen zusammen. "Wir spüren das Ende der Vorbereitungen für diesen großen Kampf, den wir in den Regionen Luhansk und Donezk haben werden", sagte der Gouverneur von Luhansk, Serhij Hajdaj.
(Quelle: dpa, 08.04.2022)