Die Kindergrundsicherung soll ab 2025 mehr Ordnung und Übersicht in das System der verschiedenen staatlichen Leistungen für Kinder und Familien bringen. Ob damit auch Zahlungen für Kinder erhöht werden und was das Ganze kosten soll, darüber wurde monatelang in der Ampel gestritten. Nun gibt es eine Einigung.
Warum überhaupt eine Kindergrundsicherung? Was ist das Ziel?
Es geht unter anderem um eine Entwirrung. Für Kinder gibt es etliche Leistungen, zum Beispiel das monatliche Kindergeld, steuerliche Kinderfreibeträge, den Kinderzuschlag für Menschen mit geringen Einkommen, Bürgergeld für Kinder oder finanzielle Hilfen für Schulmaterial, Klassenfahrten oder Mitgliedschaften in Sportverein und Musikschule. Doch zuständig sind unterschiedliche Behörden, und es gibt unterschiedliche Antragswege - manchmal ist Familien gar nicht bewusst, worauf sie einen Anspruch haben und wie sie an ihr Geld kommen. Die Kindergrundsicherung soll Leistungen bündeln und sicherstellen, dass Anspruchsberechtigte bekommen, was ihnen zusteht.
Wie soll das konkret umgesetzt werden?
Es soll ab 2025 für alle Kinder einen sogenannten Garantiebetrag geben. Dieser löst das heutige Kindergeld (250 Euro pro Monat) ab. Kinder, die erwachsen sind, aber noch studieren oder in der Ausbildung sind, sollen diesen Garantiebetrag außerdem direkt bekommen - anders als das Kindergeld heute, das an die Eltern geht. Obendrauf kommt je nach Bedürftigkeit ein Zusatzbeitrag, nach Alter gestaffelt und je nach Einkommenssituation der Eltern. Je weniger sie verdienen, desto höher soll er ausfallen.
Also eigentlich Kindergeld plus X. Und wie errechnet sich dieser Zusatzbeitrag?
Aus verschiedenen Leistungen: Der bisherige Bürgergeld-Anteil für Kinder geht darin auf, genauso wie der Kinderzuschlag von maximal 250 Euro im Monat, den Familien bekommen, die nicht im Bürgergeldbezug sind, aber nur sehr wenig Einkommen haben. Der Unterschied zu heute: Es soll nur noch eine Stelle für alles zuständig sein. Die Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit, die sich heute bereits um das Kindergeld kümmert, wird nach Angaben von Paus zu einer "Familienservicestelle". Familien sollen über diese Stelle mit überarbeiteter Webseite künftig aktiv darauf hingewiesen werden, welche Leistungen ihnen zustehen. So soll der bisherige Gang zu unterschiedlichen Ämtern für verschiedene Leistungen überflüssig werden.
Das klingt sinnvoll. Worüber wurde dann so lange gestritten?
Wenn alle berechtigten Familien ihnen zustehende Leistungen auch erhalten, wird das mehr Geld kosten. Das war immer weitgehend unstrittig. Nach Schätzungen des Bundesfamilienministeriums erreicht etwa der Kinderzuschlag nur rund jedes dritte anspruchsberechtigte Kind. Vor allem den Grünen war aber wichtig, dass nicht nur der Zugang zu Leistungen verbessert wird, sondern dass der Staat diese Leistungen auch erhöht, um gegen Kinderarmut vorzugehen.
Die FDP pochte dagegen darauf, nach den teuren Corona- und Inflations-Entlastungspaketen die Staatsausgaben wieder zu begrenzen, und verweist auf bereits erfolgte Erhöhungen bei Bürgergeld, Kindergeld und Kinderzuschlag. Finanzminister Christian Lindner warnte außerdem davor, dass höhere Sozialleistungen das Arbeiten unattraktiver machen könnten. Das sogenannte Lohnabstandsgebot müsse gewahrt bleiben. Der FDP-Chef hatte auch infrage gestellt, ob mehr Geld aufs Konto der Familien armen Kindern tatsächlich ideal hilft - oder ob die Mittel nicht bei Kitas, Schulen, Sprachförderung und Arbeitsintegration besser angelegt wären.
Und wo liegt jetzt der Kompromiss? Wird es mehr Geld geben?
Ja, aber das hätte es sowieso: Denn wie schon heute beim Kindergeld wird es auch bei der Kindergrundsicherung regelmäßig Anpassungen nach oben geben, je nachdem wie viel teurer das Leben in Deutschland wird und wie viel Geld Menschen vor diesem Hintergrund mindestens zum Leben brauchen. Dafür werden regelmäßig statistische Untersuchungen gemacht. Auch das Bürgergeld, dessen Kinder-Teil in die Kindergrundsicherung überführt wird, wird so angepasst. Von daher wird es auch automatisch zu Leistungserhöhungen kommen. Strittig ist aber, ob diese ausreichend sind. Genaue Zahlen liegen noch nicht vor. Außerdem sollen die statistischen Berechnungen zum sogenannten soziokulturellen Existenzminimum für Kinder reformiert werden, was laut Koalition auch zu Erhöhungen führen wird.
Welche zusätzlichen Kosten werden veranschlagt?
Zunächst 2,4 Milliarden Euro für das Startjahr 2025. Aus Regierungskreisen hieß es zudem, dass bei steigender Inanspruchnahme der Leistungen der Kindergrundsicherung die Kosten in den Folgejahren auch auf bis zu sechs Milliarden Euro ansteigen könnten.
Wie viele Kinder in Deutschland sind denn überhaupt von Armut betroffen?
Armut ist relativ und lässt sich nicht allein am Geld bemessen. In Deutschland wird daher meist der Begriff "Armutsgefährdung" verwendet. Wenn jemand weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung hat, gilt er als "armutsgefährdet". Diese Schwelle lag laut Statistischem Bundesamt im vergangenen Jahr für eine alleinlebende Person bei etwa 1250 Euro netto im Monat. Knapp 2,2 Millionen der etwa 14,3 Millionen Kinder und Jugendlichen unter 18 fallen den Angaben zufolge in die Kategorie "armutsgefährdet", weil sie etwa in Haushalten mit entsprechend geringen Einkommen leben.
Und wie ist jetzt der Zeitplan bei der Kindergrundsicherung?
Die Pläne werden nun zunächst an Verbände und Bundesländer geschickt zur Stellungnahme. Im Bundeskabinett könnte das Gesetz Mitte September auf den Weg gebracht werden. Anschließend muss es durch Bundestag und Bundesrat. Trotz monatelanger Diskussionen zwischen Grünen und FDP rechnen die beteiligten Minister bei der Kindergrundsicherung jetzt nicht mit weiterem Streit wie beim Gebäudeenergiegesetz (GEG). "Wir machen nicht GEG 2.0, nein das machen wir nicht", sagte Familienministerin Lisa Paus (Grüne). "Es ist hier beabsichtigt, und ich hab keinen Zweifel daran, dass das kommt, dass es einen Gesetzentwurf gibt, hinter dem das Kabinett steht", sagte Lindner.