Geistlicher Missbrauch ist ein bisher nicht klar definierter Sammelbegriff. Meist geht es um Missbrauch geistlicher Autorität oder Machtmissbrauch im religiös-spirituellen Zusammenhang. Gemeint ist, dass Personen aus Seelsorge, Religionsunterricht, geistlicher Begleitung oder Verantwortliche in Kirchen, Orden und geistlichen Gemeinschaften andere Menschen manipulieren und sie ausnutzen - vermeintlich im Namen Gottes oder der Religion.
Dabei werden in der Seelsorge Menschen bevormundet, entmündigt und oft gegen andere oder die angeblich böse Außenwelt abgeschirmt. Werte und Überzeugungen werden ihnen gegen ihren Willen aufgedrängt und sie werden zu bestimmten Handlungen gezwungen. Religiöse Werte und Symbole, ethische Begriffe oder theologische Konzepte werden dazu eingesetzt, in übergriffiger Weise Einfluss zu nehmen und Druck auszuüben - bis hin zur Kontrolle der gesamten Lebensführung.
Der Missbrauch kann nicht nur von Einzelpersonen, sondern auch von ganzen Gemeinschaften ausgehen. Manchmal können diese Grenzverletzungen auch mit sexualisierter oder mit anderen Formen körperlicher Gewalt verbunden sein. Die Betroffenen, die in der Regel noch Jahre später an den Folgen leiden, erhalten in den meisten Fällen keine Unterstützung durch Polizei und Staatsanwaltschaften, die mangels strafrechtlicher Grundlage nicht tätig werden können.
In einer aktuellen Arbeitshilfe der Deutschen Bischofskonferenz heißt es: "Beim Geistlichen Missbrauch werden christliche Werte, biblische Texte, kirchliche Vorgaben, theologische Aussagen missbräuchlich instrumentalisiert oder grob pervertiert. Frömmigkeitspraktiken oder geistliche Übungen werden unzulässig vereinfacht, indem sie als allein heilbringend dargestellt und zur verpflichtenden Auflage gemacht werden. Manipulation geschieht auch durch Verschweigen, Vorenthalten oder Unterdrücken von Kenntnissen und Informationen, weil die Verantwortlichen z. B. aus Angst oder eigener Unwissenheit keine Infragestellung oder Weiterentwicklung im geistlichen Leben zulassen wollen."