Experten haben hochgerechnet, dass zur Zeit weniger als die Hälfte der deutschen Bevölkerung Mitglied in der evangelischen und katholischen Kirche in Deutschland ist. "Es ist eine historische Zäsur, da es im Ganzen gesehen, seit Jahrhunderten das erste Mal in Deutschland nicht mehr "normal" ist, Kirchenmitglied zu sein", sagt Sozialwissenschaftler Carsten Frerk von der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (Fowid).
Die Einrichtung ist nach eigenen Angaben im Jahr 2005 von der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) gegründet worden, die als religionskritisch gilt. Fowid ist ein Projekt der Giordano-Bruno-Stiftung und wird den Angaben zufolge von einem offenen Mitgliederkreis getragen. "Die Abwärtsentwicklung ist schon seit längerem zu beobachten, hat sich in den vergangenen sechs Jahren aber stärker beschleunigt als vorher angenommen." Ostern als wichtigstes Fest der Christen findet deshalb wohl erstmals nach Jahrhunderten in einem mehrheitlich nicht mehr kirchlich gebundenen Deutschland statt.
Entwicklungen zeigen Abwärtstrend
Vor 30 Jahren waren noch um die 70 Prozent in Deutschland in der römisch-katholischen Kirche und der EKD (Evangelische Kirche in Deutschland). Vor rund 50 Jahren waren noch mehr als 90 Prozent Kirchenmitglied - zumindest in der damaligen Bundesrepublik (einschließlich West-Berlin).
Seit den 1960er Jahren mit wirtschaftlichem Aufschwung, sich verändernden Familienstrukturen und der Emanzipation der Frauen habe der kulturelle Umbruch eingesetzt, sagte der Münsteraner Religionssoziologe Detlef Pollack.. Vor der Abwendung vom Glauben und den Kirchen stehe dabei meist der Verzicht auf die Teilnahme am kirchlichen Leben. "Wenn die religiöse Praxis aufgegeben wird, geht auch der Einfluss der Religion auf die Lebensführung zurück", so Pollack gegenüber dem "Spiegel".
Eine Projektion der Kirchen sagt voraus, dass 2060 wohl nur noch rund 30 Prozent der Bevölkerung katholisch oder evangelisch sein werden.
Unter die 50-Prozent-Marke gerutscht
Offiziell werden die neuesten Zahlen (Stand für Ende 2021) erst im Sommer von den Kirchen veröffentlicht. Ende 2020 waren noch etwa 51 Prozent in Deutschland Kirchenmitglied gewesen. Nach Hochrechnungen ist die Quote nun aber unter die 50-Prozent-Marke gerutscht.
Die EKD rechnete schon hoch, Ende 2021 nur noch etwa 19,7 Millionen Mitglieder zu zählen (ein Jahr vorher noch 20,2 Millionen). Prognosen etwa von der Fowid sehen zudem noch etwa 21,8 Millionen Katholiken (ein Jahr vorher 22,2 Millionen).
Mehrheit ist noch offiziell christlich
Dennoch ist die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland noch offiziell christlich, denn neben Mitgliedern der beiden großen Kirchen gibt es ein paar Millionen weitere Christen, zum Beispiel Freikirchler und Orthodoxe (etwa griechisch-, bulgarisch-, russisch-, ukrainisch-, serbisch-, rumänisch- oder georgisch-orthodox).
In Deutschland sind inzwischen mehr als 40 Prozent der Einwohner konfessionslos, etwa 4 Prozent der Bevölkerung werden als konfessionsgebundene Muslime gezählt, die übrigen verteilen sich auf andere Religionen, darunter sind zum Beispiel Juden. (dpa,dr)