Klima, Corona, Krieg: Die Gleichzeitigkeit von Krisen drückt die Grundstimmung der Jugend in Deutschland. Junge Menschen bleiben im Dauerkrisen-Modus, heißt es in der von den Jugendforschern Simon Schnetzer und Klaus Hurrelmann in Berlin vorgestellten neuen Trendstudie "Jugend in Deutschland - Sommer 2022". Stärker als in den vergangenen Jahren sorgt sich die Jugend auch um die finanzielle Zukunft. Der Sozial- und Bildungsforscher Hurrelmann rief insbesondere die christlichen Kirchen zu mehr Veränderungsfähigkeit auf, um jungen Menschen bei der Krisenbewältigung Orientierung zu geben.
Laut der Studie steht die Angst vor dem Krieg bei 68 Prozent der Jugendlichen an der ersten Stelle der Sorgen. Zudem gaben 55 Prozent an, dass ihnen der Klimawandel Sorgen bereite. Als weitere Sorgenthemen bei jungen Menschen folgte die Inflation (46 Prozent), die Spaltung der Gesellschaft (40 Prozent) und die Wirtschaftskrise (39 Prozent). In der repräsentativen Umfrage wurden den Angaben zufolge im März bundesweit 1.021 junge Menschen zwischen 14- und 29 Jahren befragt.
"Die dichte Aufeinanderfolge von tief in das Leben eingreifende Krisen setzt der Jugend zu", sagte Hurrelmann. Nach zwei Jahren Einschränkungen ihres privaten und schulisch- beruflichen Alltags durch die Pandemie seien viele von ihnen psychisch angespannt. "Die Bedrohung durch einen Krieg in Europa drückt als eine weitere schwere emotionale Last auf ihre Stimmung. Viele machen sich große Sorgen um ihre berufliche, finanzielle und wirtschaftliche Zukunft", sagte der Forscher.
Hurrelmann verwies zugleich darauf, dass Religion und insbesondere der christliche Glaube bei jungen Menschen kaum noch eine Rolle für die Krisenbewältigung spiele. Auf der langen Liste, was jungen Menschen helfe, würden vor allem die sozialen Kontakte wie Familie, Freunde und die soziale Umgebung im Vordergrund stehen. Auch Aktivitäten, die man selbst steuere, würden als hilfreich und sinnvoll empfunden. Glaube und Religion stünden dagegen an letzter Stelle, so Hurrelmann.
Laut der Studie sind nur noch 43 Prozent der jungen Menschen unter 29 Jahren christlich und viele davon glauben nicht an einen persönlichen Gott. "Das ist eine Herausforderung für die christlichen Kirchen nachzudenken, wie sie Sinngebungsstrukturen entwickeln, die die jungen Leute erreichen und die jenseits der traditionellen liturgischen Grundsätze liegen", sagte der Forscher. Junge Leute seien keine unreligiösen Menschen, "aber die christlichen Kirchen in ihrer gegenwärtigen Verfassung erreichen sie nicht".
Schnetzer wies zudem auf einen Unterschied zwischen Muslimen und Christen hin. Während bei den Befragen, die sich als muslimisch bezeichnen, 52 Prozent angaben, dass Glaube etwas Wichtiges in ihrem Leben sei, stimmten dem nur 25 Prozent der befragten jungen Christen zu.
Ein weiteres Ergebnis der Studie ist die wachsende Bedeutung des Geldes bei jungen Menschen. So gaben 57 Prozent von ihnen an, dass Geld für sie leistungsmotivierend sei. Danach folgten Spaß (45 Prozent), Ziele erreichen (32 Prozent) sowie Ehrgeiz und Anerkennung (jeweils 21 Prozent) als Leistungsmotivatoren. Der Schülersprecher und Organisator von Friedenskundgebungen, Nico Tremmel, betonte zudem, dass sich junge Menschen mehr Möglichkeiten zur Finanzbildung wünschten und schon in jungen Jahren lernen wollten, wie man etwa eine Steuererklärung erstellt.
Mit Blick auf den Ukraine-Krieg würden zudem nur 18 Prozent der jungen Menschen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht unterstützen. Durch die Corona-Pandemie hätten viele junge Menschen das Gefühl, zwei Jahre ihres Lebens verschwendet zu haben. Durch eine Wiedereinführung der Wehrpflicht würde genau diese junge Generation "zusätzlich nochmal ein Jahr verschwenden müssen", erklärte Tremmel die mehrheitliche Ablehnung einer Wehrpflicht unter jungen Menschen. (kna)