Meldestelle: "Antisemitismus ist kontinuierliches Problem"

Hakenkreuz-Schmierereien an einer Schule / © Jochen Lübke (dpa)
Hakenkreuz-Schmierereien an einer Schule / © Jochen Lübke ( dpa )

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) hat in Berlin für 2021 insgesamt 1.052 antisemitische Vorfälle dokumentiert. Davon waren 22 Angriffe, 43 gezielte Sachbeschädigungen, 28 Bedrohungen, 895 Fälle verletzenden Verhaltens sowie 62 Massenzuschriften, wie aus einem am Dienstag in Berlin veröffentlichten Bericht hervorgeht. Erstmals seit Beginn der Dokumentation im Jahr 2015 seien auch zwei Angriffe dabei gewesen, die mit "extremer, potentiell tödlicher Gewalt" einhergingen. Ein antisemitisches "Grundrauschen" begleite konstant den Alltag Berliner Jüdinnen und Juden. Es sei zwar "kein alltägliches, aber ein kontinuierliches Problem" in der Bundeshauptstadt, sagte Julia Kopp von der Dokumentationsstelle.

Im Schnitt wurden Rias Berlin damit erneut knapp drei antisemitische Vorfälle pro Tag bekannt. Wie groß die exakte Zunahme antisemitischer Vorfälle in der Hauptstadt ist, bleibt laut Angaben unscharf, da dem Projekt durch die Berliner Polizei die registrierten antisemitischen Straftaten aus Datenschutzgründen anders als in den Vorjahren, nicht zur Verfügung gestellt worden seien. Wie viele der polizeilich erfassten 422 antisemitischen Straftaten (Stand: Ende April) zu den 1.052 zivilgesellschaftlich dokumentierten Vorfällen hinzukommen oder bereits erfasst sind, sei daher nicht bekannt.

Häufigste Form war demnach mit 47,1 Prozent der "Post-Schoa-Antisemitismus", der NS-Verbrechen verharmlose. Israelbezogener Antisemitismus betrug 35,6 Prozent. 23,3 Prozent der Vorfälle hatten einen verschwörungstheoretischen Hintergrund, vor allem im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie.

Der Berliner Rias-Projektleiter Benjamin Steinitz erklärte: "Antisemitismus ist ein gesellschaftliches Problem in allen Berliner Bezirken und in allen gesellschaftlichen Bereichen." Er "entwickelt sich in Form von Verschwörungstheorien zu einer Art Volkssport", der sich auch in Kunst- und akademischen Kreisen ausbreite, so die Gründerin der Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta Kahane.

Der Beauftragte gegen Antisemitismus der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Sigmount Königsberg, kritisierte, dass die Bereitstellung der Daten durch die Polizei an RIAS Berlin unterbunden worden sei. "Das ist kein Datenschutz, das ist Täterschutz", so Königsberg. Er forderte die Politik auf, "hier schnell zu handeln".

Ziel von Rias Berlin ist eine zivilgesellschaftliche Erfassung antisemitischer Vorfälle und die Vermittlung von Unterstützungsangeboten an die Betroffenen. (Quelle: KNA/24.5.2022)