Die Untersuchung zu sexualisierter Gewalt und Verschleierung von Missbrauchstaten im Erzbistum Freiburg sieht bei den früheren Erzbischöfen Robert Zollitsch und Oskar Saier schweres Fehlverhalten und gravierende Rechtsverstöße im Umgang mit Straftaten durch Priester. Der Schutz der Institution Kirche und der Täter habe über allem gestanden, sagte Studienautor Eugen Endress bei der Vorstellung des 600-Seiten-Berichts. Für Betroffene und Angehörige habe es keine Hilfen gegeben: "Sie wurden allein gelassen."
Erzbischof Stephan Burger zeigte sich erschüttert. Das Verhalten seiner Vorgänger mache ihn fassungslos. Er teilte mit, kirchenrechtliche Schritte gegen Zollitsch eingeleitet zu haben. Der Vatikan müsse Konsequenzen prüfen.
Auch Betroffene äußerten sich schockiert. Die Untersuchung dokumentiere schwarz auf weiß, dass der Kirche "missbrauchte Kinder und verletzte Kinderseelen über Jahrzehnte gleichgültig waren", so der Betroffenenbeirat im Erzbistum. Dagegen seien die Täter grausamster Verbrechen geschützt worden. Unter Zollitschs Führung sei die Kirche ein "Schutzraum für Täter" gewesen und eine "Hölle für Kinder, die sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren und keine Hilfe erhalten haben".
Zollitsch wird Versagen in mehrfacher Hinsicht bescheinigt. Das sei bis hin zum bewussten Verschleiern und Vertuschen gegangen, erklärten die Studienautoren. Dabei habe er Kirchenrecht ignoriert und bewusst übergangen. Beispielsweise gab es keine Meldungen von Missbrauchsverdachtsfällen an den Vatikan, obwohl das ab 2002 verpflichtend gewesen sei. "Selbst als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ignorierte Erzbischof Zollitsch geltendes Recht." Auch seien Akten manipuliert worden.
Zollitsch hatte über einen Sprecher angekündigt, sich vorerst nicht zu den Vorwürfen zu äußern. Zuletzt hatte er in einem Video im Oktober um Verzeihung gebeten. Schweres Versagen werfen die Studienautoren auch seinem Vorgänger Oskar Saier (1978-2002) vor. So habe er etwa Täter versetzt, ohne die Gemeinden zu informieren. "Aber schon unter Saier, der als Erzbischof immer die Letztverantwortung trug, hatte Zollitsch eine sehr machtvolle Position inne", fügte Endress hinzu
Beim amtierenden Erzbischof Stephan Burger (seit 2014) fanden die Autoren der Untersuchung keinen Hinweis auf Vertuschung. Gleichwohl räumte Burger eigene Fehler ein. So seien Auflagen für beschuldigte Priester nicht konsequent genug kontrolliert worden. Burger bat die Betroffenen um Verzeihung. Er wolle aus Fehlern lernen und Konsequenzen ziehen. Dazu sei der Missbrauchsbericht eine drängende Mahnung und Hilfe.
Die rund 600-seitige Studie wurde von unabhängigen Experten erarbeitet, darunter Juristen und Kriminologen. Die Untersuchung analysiert beispielhaft 24 Fälle aus der Zeit von 1945 bis in die Gegenwart. Die vier Autoren hatten Zugang zu allen Personalakten der Priester des Erzbistums. Zusätzlich werteten sie Protokolle der diözesanen Leitungsrunde aus. Schließlich wurden 180 Zeugen befragt - darunter Betroffene und Beschuldigte.
Zum Schutz von Persönlichkeitsrechten werden im Bericht nur Personen des öffentlichen Lebens namentlich benannt. Dazu gehören die Bischöfe, die Verwaltungschefs und Kirchengerichtsleiter, also Generalvikare und Offiziale. Die Freiburger Untersuchung reiht sich ein in eine Serie von Aufarbeitungsberichten. Zuletzt präsentierten die Bistümer Mainz und Essen Ergebnisse. (kna/18.04.2023)