Den Begriff "Neu-Pelagianismus" verwendet Papst Franziskus öfter. Generell meint er damit die Vorstellung, Menschen könnten sich aufgrund ihrer heutigen wissenschaftlichen und kulturellen Fertigkeiten selbst erlösen, also mit Blick auf ihr Heil über sich hinauswachsen. Kritik an einem "Neu-Pelagianismus" bestreitet, dass ein glückendes und gerechtfertigtes Leben unabhängig von Gott möglich ist und dass Menschen solch ein Leben aus sich heraus führen können. Ein solches Leben sei nur möglich mit Gottes Gnade, vermittelt durch die Kirche, betont dagegen das kirchliche Lehramt.
Der Begriff "Pelagianismus" geht zurück auf einen antiken theologischen Streit zwischen dem Mönch Pelagius (ca. 350-431) und Bischof Augustinus (354-430) um die Frage, welche Rolle menschliche Freiheit spielt, wenn es darum geht, Gutes zu tun, und welche Rolle dafür Gottes Gnade spielt. Augustinus betonte vor allem die Gnade, Pelagius die Freiheit.
Allerdings wurde der Begriff Pelagianismus in der Geschichte oft unterschiedlich verstanden. Heute kann er eine Lebensweise meinen, die Gott nicht als Grundlage von Gesellschaft und Staat öffentlich anerkennt. Oder eine Individualität, die über jede Anfrage an sich selbst erhaben ist. Eine entsprechende Haltung kann auch moralistische Züge einer Leistungsethik annehmen.
Die Kritik am "Neu-Pelagianismus" verbindet Franziskus oft mit Kritik an einem "Neu-Gnostizismus". Gemeint ist eine Esoterik, in der sich Menschen auf einer höheren Seinsstufe sehen. Aufgrund eines besonderen oder "geheimen Wissens" glauben sie, als einzige die oft in Schwarz und Weiß eingeteilte Welt richtig zu verstehen. Damit hätten sie eine Art Rezept an der Hand, um ein bewussteres Leben führen und sich selbst erlösen zu können. (kna)