Die Fachkräfte-Situation in der Pflege verschlechtert sich in Deutschland weiter. Das Beschäftigungswachstum in der Pflege falle seit Januar 2022 schwächer aus als im Durchschnitt aller Berufe, teilte die Bundesagentur zum Tag der Pflege (12. Mai) mit. Derzeit kommen demnach auf 100 freie Stellen nur 33 arbeitslose Pflegefachleute. Zuvor war - vor allem während der Corona-Pandemie - die Zahl der Beschäftigten in der Pflegeüberdurchschnittlich gestiegen.
"Die Pandemie hat die seit Jahrzehnten bestehenden Probleme verschärft und deutlich gemacht, wie abhängig unsere Gesellschaft von guter Gesundheitsversorgung ist", sagte die Präsidentin Christel Bienstein vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK). Sie appellierte: "Wir müssen jetzt an unsere Strukturen ran", sonst würden Bürgerinnen und Bürger in ein paar Jahren keine professionelle Pflege mehr bekommen.
Fünf Millionen Pflegebedürftige gibt es laut Statistischem Bundesamt in Deutschland. 84 Prozent davon werden zu Hause versorgt. Bis 2055 soll die Zahl der pflegebedürftigen Menschen um 37 Prozent auf 6,8 Millionen steigen.
"Wir haben Pflegepersonalmangel und der wird immer gravierender", sagte Pflegewissenschaftsprofessorin Christa Büker von der Hochschule Bielefeld der Deutschen Presse-Agentur. Vor allem im ländlichen Raum spitze er sich ihr zufolge zu.
Die Bundespolitik arbeitet derweil an einem "Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz" (PUEG). Die Pflegereform sieht vor allem mehr finanzielle Hilfen vor, von vielen Seiten werden diese aber als unzureichend angesehen.
"Der Gesundheitsminister und die Regierung sind an der Reihe, eine langfristige und sektorenübergreifende Strategie zu etablieren, anstatt Stückwerk anzubieten", forderte Susanna Karawanskij, Präsidentin der Volkssolidarität am Donnerstag. Sie mahnte: "Der Personalnotstand hängt unmittelbar mit der pflegerischen Versorgungssicherheit und -qualität zusammen. Um Versorgungslücken zu vermeiden, müssen die Fragestellungen rund um die Pflege endlich umfassend angegangen werden."
Auch der Deutsche Pflegerat forderte die Bundesregierung dazu auf, Lehren aus der Pandemie zu ziehen, eine qualitativ hochwertige Pflege zu schaffen und dazu eine präzise Umsetzungsstrategie vorzulegen. Verbessert werden sollten die Arbeitsbedingungen der Gesundheitsberufe und Pflegekräfte. Zudem sollten Innovationen ermöglicht und die Digitalisierung vorangetrieben werden. Grundlage für all dies sei eine auf "lange Sicht stabile Finanzierung des Gesundheitswesens und der Pflege", so Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats e.V. (DPR).
Die Grünen sehen Fortschritte in dem Bereich. "Als Grüne Bundestagsfraktion haben wir im vergangenen Jahr an der Tariftreue für Pflegende in der Langzeitpflege mitgewirkt und die Weichen für bessere Personalschlüssel in Krankenhäusern gestellt", sagte Kordula Schulz-Asche, Mitglied im Gesundheitsausschuss (Grüne) am Donnerstag.
"Aktuell bringen wir als Ampel-Regierung die Ausbildungsvergütung für das Pflegestudium auf den Weg, um die Rahmenbedingungen zu schaffen, die dieser wichtige Studiengang verdient", so Schulz-Asche weiter. "Damit investieren wir in die Zukunft des Pflegeberufs und beseitigen Barrieren zur hochschulischen Pflegeausbildung."
Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit sind im Juni 2022 bundesweit 1,68 Millionen Menschen in Pflegeberufen sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Das sind 1,1 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, aber 11 Prozent mehr als noch fünf Jahre zuvor. Über alle Berufsgruppen hinweg wuchs die Beschäftigung im selben Zeitraum dagegen nur um 7 Prozent.
"Viele der Beschäftigten in Pflegeeinrichtungen haben andere Berufe erlernt - oder gar keinen Berufsabschluss erworben", teilte das Statistische Bundesamt mit. In ambulanten Pflegeeinrichtungen haben 26 Prozent der Beschäftigten einen anderen Berufsabschluss, 11 Prozent des Personals überhaupt keinen. In Pflegeeinrichtungen haben 25,6 Prozent einen anderen Berufsabschluss und ein Viertel der Beschäftigten sogar gar keinen.
Zudem seien die meisten der Arbeitnehmenden in diesem Bereich der Bundesagentur für Arbeit zufolge weiblich, viele arbeiteten außerdem in Teilzeit. Der Ausländeranteil sei deutlich gestiegen - von 8 Prozent im Jahr 2017 auf 14 Prozent im Jahr 2022. Die meisten kämen aus Ländern wie Polen, Rumänien, Bosnien und Herzegowina oder der Türkei.
"Während die Zahl der Pflegebedürftigen insgesamt zunimmt, sinkt der Anteil derer, die vollstationär in Pflegeheimen versorgt werden", fasste das Statistische Bundesamt zusammen: Von den bundesweit knapp 4,96 Millionen Menschen, die Ende 2021 pflegebedürftig waren, wurde nur rund ein Sechstel vollstationär gepflegt, fünf von sechs Pflegebedürftigen wurden zu Hause versorgt. Bei 1,05 Millionen halfen ambulante Pflegedienste.
Die Zahl der Pflegebedürftigen, die von ambulanten Diensten zu Hause versorgt werden, ist binnen 20 Jahren um 141 Prozent gestiegen. Im selben Zeitraum stieg die Zahl der vollstationär Betreuten nur um 31 Prozent. Die Zahl der teilstationär versorgten Pflegebedürftigen hat sich unterdessen verzehnfacht. (dpa/11.05.2023)