Seit 1981 soll sechs Personen in dem kleinen Ort Medjugorje in der Herzegowina viele tausend Mal die Muttergottes erschienen sein. Innerkirchlich ist das Phänomen nicht unumstritten; doch die Zahl der Pilger geht in die Millionen. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert einige Eckdaten:
24. Juni 1981: Drei Kinder berichten von Erscheinungen der Gottesmutter; am Folgetag erscheint sie drei weiteren Kindern. Die sechs Seher haben nach eigenen Angaben seither regelmäßig Erscheinungen, insgesamt mehr als 42.000. Später berichten sie auch von Botschaften der „Gospa“ (Herrin). Die Nachrichten lösen einen anhaltenden Pilgerstrom aus, der zwischenzeitlich auf mehrere Millionen Menschen pro Jahr anschwillt. Die Pilgerseelsorge übernimmt vor allem der Franziskanerorden - wobei es mitunter zu Konflikten mit der Bistumsleitung kommt.
1982: Bischof Pavao Zanic von Mostar-Duvno richtet eine Untersuchungskommission ein. Sie besteht aus drei Diözesanpriestern und einem Franziskaner und besteht bis 1984. Drei Seherkinder überbringen dem Bischof eine Botschaft der „Gospa“, die die Absetzung von zwei Franziskanern durch den Bischof kritisiert. Seit dieser dezidiert kirchenpolitischen Äußerung steht Zanic den Phänomenen skeptisch gegenüber.
1984: Zanic richtet eine erweiterte Kommission mit zwölf Priestern und drei Medizinern ein. Sie kommt 1986 zu dem Ergebnis, dass es sich nicht um eine übernatürliche Erscheinung handele; weitere Untersuchungen seien nicht nötig.
1987: Auf Empfehlung des Vatikan kündigen Zanic und der Zagreber Kardinal Franjo Kuharic die Einrichtung einer dritten Untersuchungskommission mit sechs Ordens- und fünf Diözesanpriestern sowie vier Psychologen an (bis 1990).
1991: Die Glaubenskongregation reagiert zurückhaltend. Unter Verweis auf die damalige Jugoslawische Bischofskonferenz erklärt sie, nach bisherigen Untersuchungen sei es „nicht möglich zu sagen, dass es sich um übernatürliche Erscheinungen oder Offenbarungen handelt“.
Offizielle Wallfahrten von Bistümern und Pfarreien nach Medjugorje werden nicht gestattet. Noch Ende 2017 erinnert die Diözese Mostar-Duvno daran, dass dieses Verbot weiter gelte.
1991-1995: Der Bosnienkrieg ist auch für die Medjugorje-Bewegung ein tiefer Einschnitt. Wallfahrten bleiben für längere Zeit undenkbar.
Durch enge religiöse Verbindungen in andere Länder entstehen aber viele Brücken der Hilfe: Hilfstransporte, mehrere große Hilfsprojekte, darunter die internationale Schulernährungsinitiative „Mary's Meals“.
1998: Der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, schreibt an Bischof Ratko Peric von Mostar, ihm und Papst Johannes Paul II. zugeschriebene positive Stellungnahmen zu Medjugorje seien erfunden.
2006: Peric berichtet dem neuen Papst Benedikt XVI. (Ratzinger) von „zahlreichen absurden Botschaften, Unaufrichtigkeiten, Lügen und Ungehorsam“ seitens der Franziskaner von Medjugorje. Der Vatikan setzt eine eigene Untersuchungskommission ein.
2008: Die Glaubenskongregation verbietet einem geistlichen Begleiter der Seher, dem Franziskaner Tomislav Vlasic, Gottesdienste zu feiern.
Sie begründet das mit Vergehen gegen die kirchliche Disziplin. 2009 verlässt Vlasic den Orden.
2009: Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn besucht Medjugorje.
Ortsbischof Peric kritisiert positive Äußerungen des Kardinals im Umfeld der Reise.
2010: Benedikt XVI. setzt eine weitere, internationale Untersuchungskommission ein. Sie soll Informationen für eine endgültige Bewertung liefern. 17 Experten unter Leitung von Kardinal Camillo Ruini rollen den Fall neu auf und befragen im Vatikan alle sechs Seher einzeln.
2012: Die Kommission reist für vier Tage nach Medjugorje, um das Verhalten der Seher und der Seelsorger vor Ort zu untersuchen.
2014: Die Kommission übergibt ihr Abschlussgutachten, das zwischen zwei Phasen unterscheidet: einer ersten, sehr frühen Phase womöglich authentischer Erscheinungen in den ersten zehn Tagen. Damals sei die Grundlage für den Pilgeransturm gelegt worden. Alles, was seitdem in einer „zweiten Phase“ passiert ist, wird deutlich hinterfragt. Die Entscheidung über die Echtheit der Ereignisse von Medjugorje liegt nun beim Papst.
2017: Franziskus ernennt Erzbischof Henryk Hoser von Warschau-Praga zum Medjugorje-Sondergesandten. Er soll die religiöse Lage vor Ort analysieren und Vorschläge für die Seelsorge machen. Auf dem Rückflug vom portugiesischen Fatima im Mai bezeichnet Franziskus den Medjugorje-Bericht als „sehr gut“. Zugleich wiederholt er seine Einschätzung, er sehe Maria nicht als „Leiterin eines Telegrafenamtes, das jeden Tag eine Nachricht zu einer bestimmten Stunde versendet“.
August 2017: Hoser erklärt, „alles“ deute darauf hin, dass der Vatikan Medjugorje bald anerkennen könne. Er geht von der Echtheit der „ersten Erscheinungen“ aus. Das stärkste Argument dafür sei die „Treue zur Kirchenlehre“, die die sechs „Seher“ zeigten. Es sei schwer zu glauben, dass sie „seit 36 Jahren lügen“. In dem Wallfahrtsort laufe „alles in die richtige Richtung“.
Mai 2019: Papst Franziskus gestattet offizielle katholische Pilgerfahrten nach Medjugorje - ein Schritt über die bisherige Haltung Roms hinaus. Es sei aber zu vermeiden, dass dies als Anerkennung der angeblichen Erscheinungen ausgelegt werde, hieß es.
Über deren Echtheit hat der Vatikan bisher kein abschließendes Urteil gefällt.
Juni 2021: Der 40. Jahrestag wird mit Hunderten Priestern und Tausenden Pilgern aus dem In- und Ausland begangen. Erstmals seit der Corona-Pandemie kommen wieder viele Pilger zusammen. (KNA, 02.08.2022)