Predigt von Bischof Dr. Stefan Oster SDB (Passau), Sportbischof der Deutschen Bischofskonferenz, anlässlich des ökumenischen Gottesdienstes zum DFB-Pokalfinale am 25. Mai 2024 in Berlin.
Was trägt?
Die Mannschaften, die heute das Pokalfinale bestreiten, könnten mit dem Blick auf die vergangene Saison unterschiedlicher nicht sein. Auf der einen Seite die Lauterer, das Überraschungsteam im DFB-Pokal, sensationell im Finale dieses Wettbewerbs – als Zweitligist wohlgemerkt. Noch dazu als einer, der in der Liga sogar in den Abstiegskampf involviert war. Zwei Trainer hatten sie nach einem schlechten Saisonstart und dem drohenden Abstieg entlassen, ehe sie erst am 21. Spieltag Friedhelm Funkel als Trainer holten und mit ihm dann doch und letztlich auch souverän den Klassenerhalt geschafft haben.
Umso bemerkenswerter war dann die Pokalhistorie der Mannschaft in dieser Saison. Ganz offenbar ist ihr es in diesem Wettbewerb besonders gelungen, eine Art von Motivation, Fokussierung und Mannschaftsgeist abzurufen, die die Mannschaft dann bis ins heutige Finale getragen hat.
Ein echter Gegensatz dazu die Mannschaft von Bayer Leverkusen in dieser Saison. Ein Wahnsinnsbeispiel für Stabilität. Xabi Alonso hatte die Mannschaft im Herbst 2022 noch auf einem Abstiegsplatz in der Bundesliga übernommen und dann kontinuierlich entwickelt. In dieser immer noch laufenden Saison dann hat er mit seiner Mannschaft eine unglaubliche Serie von 51 ungeschlagenen Spielen in allen Wettbewerben hingelegt. Bis vergangenen Mittwoch – als die Serie im Finale der Europa League leider erstmals gerissen ist. Aber der Trainer, der Mannschaftsgeist und wohl auch ein Quäntchen Glück haben die Mannschaft Zuerst zur Deutschen Meisterschaft und nun eben auch ins heutige DFB-Pokalfinale getragen.
Was trägt also? Was trägt die Mannschaften zur Meisterschaft, zum Klassenerhalt und in ein Finale – und was trägt eigentlich uns alle hierher?
Offenbar spielen in beiden Wegen die Trainerpersönlichkeiten eine wesentliche Rolle. Fußballexperten sprechen davon, dass ein Trainer einer Mannschaft eine Idee geben kann. Seine Idee von einer bestimmten Art, Fußball zu spielen, Stärken der Einzelnen und der Mannschaft zu entwickeln, Schwächen auszumerzen und das Team zusammenzuschweißen.
Und damit das gelingt, braucht so ein Trainer natürlich zuerst die Idee, die Vision, dann die fußballerische Kompetenz, das Fußballerhirn, aber eben auch die natürliche Autorität, die Spieler für sich zu gewinnen und hinter sich zu versammeln. Und sie müssen lernen, ihm zu glauben und zu vertrauen. Und wenn sich dann eine Art gemeinsame Verständigung auf die Idee ergibt, wenn die Spieler sich nach und nach mit Vertrauen auf diesen Geist einlassen – und vor allem auch füreinander kämpfen, dann geht was, dann trägt es.
Im letzten, meine Lieben, geht es also ganz offenbar um die Qualität von Beziehungen, die tragen, die weit tragen. Die Beziehung des Trainers zur Mannschaft, zu den Spielern und der Spieler untereinander. Am Ende macht die Qualität von Beziehung eine Mannschaft zur Mannschaft; das ist vermutlich der wesentlichste Faktor, der trägt.
Liebe Geschwister, liebe Fußballfreunde, eine Fußballmannschaft auf diese Weise zu betrachten, kann uns helfen, unseren eigenen Glauben besser zu verstehen. Wir können also denken, Jesus ist der Trainer. Und in seinem Kommen findet er uns Menschen vor wie ein auseinanderlaufender Hühnerhaufen von lauter Egoisten. Er spielt selbst mit, lebt vor, was seine Vision, ist seine Idee für uns. Sie heißt: Reich Gottes.
Sie besteht darin, dass wir uns von innen her berühren und verändern lassen – aufeinander hin. Der Trainer gibt alles dafür, er gibt sogar sein Leben – und wundersamer Weise setzt genau diese Lebenshingabe einen Geist frei, der bis heute die Menschen auf der ganzen Welt bewegt. Wir nennen ihn den Heiligen Geist. Und überall, wo sich Menschen miteinander darauf einlassen, überall, wo zwei oder drei Spieler im Namen ihres Trainers beieinander sind, dort trägt dieser Geist.
Er trägt die Einzelnen und die Gruppe, also die Mannschaft. Die Mannschaft derer, die in seinem Geist unterwegs sind, heißt Kirche. Und sie ist für alle da, für alle, die sich von diesem Geist leiten und zusammenführen lassen wollen. Damit sie getragen werden und sich tragen lassen. Und dieser Geist, so glauben wir, trägt uns weit.
Wenn wir treu bleiben, wenn wir mit dem Trainer verbunden bleiben – auch in schwierigen Zeiten, wenn wir unsere Egoismen überwinden und wirklich lernen, einer für den anderen zu spielen, dann kommen wir ins große Finale unseres Lebens. Dann werden wir erfahren dürfen, wie groß die Vision unseres großen Trainers eigentlich ist. Und wie es schon in diesem Leben einen Vorgeschmack gibt auf das Ziel hin.
Also: Was für den Pokal-Fan Berlin ist, das ist für den Gläubigen der Himmel. Alle vereint, schauen wir dann einmal staunend, wer da noch alles mit uns da ist – voller Glückseligkeit. Und es wird sich zeigen, dass uns unser Trainer im Leben genau auf diese Position gesetzt hat, die ich am besten spielen kann. Und die wie gemacht ist für mich – und die mich, wenn ich mich auch durch die Tiefen dieses Weges hindurchkämpfe -, immer mehr zu dem macht, der ich eigentlich sein kann. Eine Glückseligkeit mit Ihm und den anderen wird das sein, über die hinaus es nichts Größeres mehr geben kann.
Und wenn wir von hier zurück auf den Fußball schauen, dann sehen wir, dass Fußball im Grunde nur ein wunderschönes Beispiel ist, an dem wir das tiefer verstehen können, was letztlich unser Leben bedeutet: Dem großen Trainer folgen, seine Vision annehmen, möglichst viele mit hineinnehmen in dieses Mannschaftsspiel des Lebens. Vertrauen lernen, dass er es gut meint, auch dann, wenn wir durch harte Zeiten hindurch kämpfen. Und respektieren, dass ausnahmslos jeder und jede einen einzigartigen Platz in der Mannschaft hat. Anders als im Fußball erreichen wir unser Ziel aber dann, wenn nicht ein Team gewinnt, sondern wenn wir am Ende am besten alle gewinnen. Deshalb gilt am Ende auch für ein Pokalfinale: Lass uns alle miteinander Fußballfreunde sein und bleiben – egal, wer am Ende den Pokal holt. (Quelle: Deutsche Bischofkonferenz, 25.05.2024)