In den Evangelien des Neuen Testaments wird Jesus als Rabbi und damit als jüdischer Gelehrter bezeichnet. Diese ehrerbietige Anrede bedeutet "Meister"; in ihr kommen Gehorsam und Respekt zum Ausdruck. Jesus selbst bestätigt, dass ihm diese Anrede zukommt (Joh 13,13). Obwohl Jesus kein studierter Schriftgelehrter ist, tritt er wie ein solcher auf, was diese als Anmaßung empfinden. Er lehrt in der Synagoge, interpretiert die Schrift und hat einen Schülerkreis. Jesu Lehre ist nicht gegen den in der Tora dargelegten jüdischen Glauben. Der in der Tora geoffenbarte Wille Gottes gilt auch für den Juden Jesus als verbindlich. Dennoch unterscheidet er sich von den Schriftgelehrten, denn er gibt nicht die überkommene Tradition weiter, sondern lehrt in eigener Autorität, unmittelbar von Gott berufen. Weil er allein der wahre Lehrer ist, sollen seine Jünger sich nicht Rabbi nennen lassen. Später tritt in den Evangelien die Anrede Rabbi zurück. An ihre Stelle taucht der Titel "Kyrie" (Herr) auf, denn die Gemeinde ist sich bewusst, dass Jesus nicht Lehrer im jüdischen Sinn, sondern Herr der Seinen ist.
Zu den Aufgaben der jüdischen Gelehrten gehört es, die Tora in verbindlicher Weise auszulegen und den Bedingungen ihrer Zeit anzupassen. Daraus entsteht zunächst ein mündlich tradiertes Gewohnheitsrecht; im 4. und 5. Jahrhundert nach Christus werden diese Deutungen im Talmud festgehalten. Die Ausbildung der Rabbis, die in den Synagogen lehren, umfasst zu dieser Zeit Theologie, Rechtsfragen und Philosophie. Beim Volk stehen sie in so hohem Ansehen, dass sie nicht nur von ihren Schülern, sondern auch von der Allgemeinheit Rabbi genannt werden. Mit Rabbi spricht aber nicht nur der Schüler seinen Lehrer an, sondern auch ein Untergebener eine höher gestellte Person, im Sinne von "mein Herr". Ab dem 13. Jahrhundert wachsen die Rabbiner immer mehr in das Amt des (ordinierten) Leiters der Gemeinde hinein, die ihn nun auch besoldet. (KNA)