Studie: AfD weniger christlich als vor sieben Jahren

Eine Papiertasche der Partei AfD hängt an einem Haken in einer Kirchenbank / © Harald Oppitz (KNA)
Eine Papiertasche der Partei AfD hängt an einem Haken in einer Kirchenbank / © Harald Oppitz ( KNA )

Die AfD beschwört in Reden immer wieder das "christlich Abendland". Gleichzeitig halten Wissenschaftler die Positionen der rechten Partei für nicht vereinbar mit einer christlich verstandenen Politik. Das geht aus der Neuauflage einer Studie der Universität Münster hervor. Die Positionen der AfD und der katholischen Kirche lägen vielmehr noch weiter auseinander als vor einigen Jahren, sagt einer der Autoren der Studie, der Sozialethiker Alexander Filipovic.

Die AfD habe sich weiter von den Positionen der katholischen Kirche wegbewegt. So sei beispielsweise das Völkisch-Nationalistische in der AfD stärker geworden und der Populismus deutlicher.

Studie will Menschen diskursfähig machen

Die christliche Position sei hingegen relativ stabil. Bereits 2017 hatte Filipovic gemeinsam mit der Theologin Marianne Heimbach-Steins eine Vergleichsstudie über die Positionen von AfD und katholischer Kirche veröffentlicht. Weil die AfD nun von mehr Menschen gewählt wird und ihre Positionen verschärft hat, wollen die Wissenschaftler laut Filipovic mit dem am Institut für Christliche Sozialwissenschaften der Universität Münster veröffentlichten Papier neues Material und Argumente liefern. Ziel sei es, dass Leserinnen und Leser sich selbst eine Meinung bilden können und diskursfähig sind. Die Studie stellt dazu für verschiedene Themen sowohl die Position der AfD als auch der Kirche dar und kommentiert sie außerdem aus der Perspektive der christlichen Sozialethik.

Beispiel Familienpolitik: Katholische Christen könnten Elemente der Familienpolitik der AfD attraktiv finden, weil die Partei traditionelle Familienwerte befürwortet, so die Studie. Aber: Die Familienpolitik der AfD verfolge ein bevölkerungspolitisches Interesse. Es gehe ihr um eine höhere Geburtenrate der "einheimischen Bevölkerung". Dies kenne die katholische Kirche nicht, sie betone stattdessen soziale Themen wie Solidarität, Gemeinschaft und Teilhabe. Die Kirche unterstreiche außerdem anders als die AfD die Gleichberechtigung der Geschlechter.

AfD betont Leistung, Kirche Solidarität

Ein weiteres Beispiel: Im Bereich Zuwanderung, Asyl und Integration verfolge die Partei eine restriktive Politik und betone die kulturelle Anpassung von Migranten. Demgegenüber poche die Kirche auf Menschenwürde und Solidarität und unterstütze eine offene und integrative Haltung.

In Bezug auf den Sozialstaat betone die AfD die Eigenverantwortung.

Sozialleistungen für Migranten und Personen, die selbst wenig leisten, stehe sie kritisch gegenüber. Die Kirche dagegen unterstreiche auch hier Solidarität und sehe die Verantwortung für die Unterstützung der Schwachen beim Staat.

Außenpolitisch setze die AfD auf nationale Souveränität und eine starke militärische Verteidigungspolitik, während die Kirche internationale Zusammenarbeit und friedliche Lösungen von Konflikten anstrebe.

Den menschengemachten Klimawandel bezweifle die Partei und betone nationale Interessen in der Energie und Umweltpolitik. Die Kirche halte dagegen globalen Klimaschutz für nötig.

Christliche Werte einbringen

Der Studie zufolge gibt es vor allem in den Bereichen Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit tiefe Differenzen zwischen den Positionen der AfD und der katholischen Soziallehre. Die Autoren betonen die Notwendigkeit einer klaren Abgrenzung gegenüber populistischen und menschenverachtenden Tendenzen und rufen Christinnen und Christen dazu auf, sich an christlichen Werten zu orientieren und sich so politisch einzubringen.

Für die Studie haben die Autoren programmatische Texte der AfD, darunter das Grundsatzprogramm 2016, das Bundestagswahlprogramm 2021, das diesjährige Europawahlprogramm ausgewertet. Für die kirchliche Position schauten die Wissenschaftler Schreiben der Weltkirche und der deutschen Bischöfe, etwa zur katholischen Soziallehre, an. (kna, Nicole Trenz, 12.07.2024)