Timothy P. Broglio (70), seit 2008 Militärbischof der USA, ist neuer Vorsitzender der katholischen US-Bischofskonferenz.
Der aus Cleveland im Bundesstaat Ohio stammende Erzbischof setzte sich am Dienstag (Ortszeit) in Baltimore bei der Herbsttagung der Bischöfe gegen neun Mitbewerber durch. Er wurde im dritten Wahlgang mit 138 der 237 abgegebenen Stimmen gewählt.
Zu seinem Stellvertreter wählten die Bischöfe in einem zusätzlichen Wahlgang Erzbischof William E. Lori (71) aus Baltimore, der zuvor hinter Broglio die zweitmeisten Stimmen erhalten hatte. Traditionell gilt der Vize-Vorsitzende als Favorit für die Nachfolge als Chef der Konferenz nach Ablauf der dreijährigen Amtszeit. Allerdings ist Lori dann schon 74 Jahre alt; mit 75 müssen Bischöfe dem Papst ihren Rücktritt anbieten.
Broglio und Lori werden zum konservativen Flügel der US-Bischofskonferenz gezählt. Doch galt unter den zehn Kandidaten nur ein einziger - der Erzbischof von Seattle, Paul Etienne - als Angehöriger des "Franziskus"-Flügels.
Broglio folgt dem seit 2019 amtierenden Erzbischof Jose Gomez aus Los Angeles nach. Er war als Favorit in das insgesamt eher offene Rennen gegangen, weil er in seiner bisherigen Funktion in Washington residiert, wo auch die Bischofskonferenz ansässig ist. Damit kann er anders als sein Vorgänger Gomez vor Ort stärker präsent sein. Ferner ging Broglio durch die päpstliche Diplomatenschule. Er diente als Gesandter des Vatikan in der Dominikanischen Republik und kennt sich gut in der Hierarchie aus.
Sein größter Vorteil zählt aber auch als seine Schwäche. Kritiker halten ihm eine zu große Nähe zum ehemaligen Chefdiplomaten des Vatikan vor, dem im Mai verstorbenen Kardinal Angelo Sodano. Dieser soll in der Missbrauchskrise Ermittlungen hochrangiger Kirchenführer behindert haben.
Laut dem katholischen US-Pressedienst CNS setzte sich Broglio für Ausnahmeregelungen aus religiösen Gründen von der Covid-Impfung ein.
Ebenso soll er homosexuelle Priester für die Missbrauchskrise im Klerus verantwortlich gemacht haben. Insgesamt sei er deutlich mehr an der Bewahrung der katholischen Lehre interessiert als an Fragen der Seelsorge.
Die Herbsttagung ist das erste Treffen der US-Bischöfe nach der Aufhebung des liberalen Grundsatzurteils zur Abtreibung von 1973 (Roe v. Wade) durch das Oberste Gericht im Juni. Die damalige Jubelstimmung einiger Bischöfe schlug nach den Zwischenwahlen vergangene Woche in Enttäuschung um. In fünf Bundesstaaten sprachen sich die Wähler für den Erhalt eines straffreien Zugangs zur Abtreibung aus. Nun dürfte sich die öffentliche Aufmerksamkeit vor allem darauf richten, mit welcher Strategie Erzbischof Broglio das Abtreibungsthema angeht. (KNA/16.11.2022)