Wer ist Ron DeSantis?

Ron DeSantis / © John Raoux (dpa)
Ron DeSantis / © John Raoux ( dpa )

Erzkonservativer Macher, unnahbarer Mensch

Er ist kein Mann des Volkes, aber punktet bei vielen Konservativen mit knallharter rechter Politik. Das Mantra von Ron DeSantis ist, niemals nachzugeben. Nun stellt er sich jemandem, der das genauso wenig mag: Donald Trump.

Bewahrung der traditionellen Familie, hartes Vorgehen gegen Migranten und Schutz vor "linker Agenda": Das ist die Politik, die der Republikaner Ron DeSantis im Angebot hat. Der Gouverneur von Florida will Präsident der USA werden - seine Bewerbung für die Kandidatur seiner Partei hat er am Mittwoch öffentlich gemacht. Im Moment ist der Hardliner bei den Republikanern der einzige ernstzunehmende Widersacher von Ex-Präsident Donald Trump. Wer ist der Mann, der nach der Wahl 2024 ins Weiße Haus einziehen will?

Der 44-Jährige hat sich in den vergangenen Jahren strategisch als stramm rechter Macher positioniert. Und der gegenwärtige Kulturkampf in den tief gespaltenen Vereinigten Staaten bietet ihm dafür die perfekte Bühne: Die Taktik des smarten Absolventen der renommierten Harvard Law School und Ex-Navy-Mitglieds ist es, Reizthemen mit radikaler rechter Politik medienwirksam zu besetzen und die Konservativen damit hinter sich zu vereinen.

DeSantis ging aggressiv gegen Transpersonen und Aufklärung über sexuelle Orientierungen in Schulen vor. Damit richtete er sich vor allem gegen die "woke"-Ideologie. Dieser Begriff diente ursprünglich zum Beschreiben einer Haltung gegen Diskriminierung und Ungerechtigkeit, wird in den USA mittlerweile aber von vielen genutzt, um überzogene linke Korrektheit zu brandmarken.

Anti-"woke" zu sein ist DeSantis' Markenzeichen. Den Satz «Florida ist der Ort, an dem Woke stirbt» hat er unter frenetischem Jubel seiner Anhänger Dutzende Male wiederholt. Er sieht sich als aggressiver Gegner linker Politik des medialen und elitären Mainstreams, den rechte Kreise zum Feindbild aufgebaut haben. Ein Mann, der im Angesicht des Bösen nicht mit der Wimper zuckt, für den Nachgeben keine Option ist. Er provoziert Kritik von liberalen Medien, Firmen oder Personen, weil sie ihm Auftrieb verschafft.

Das womöglich beste Beispiel ist DeSantis' Corona-Politik in Florida, die fast ohne Beschränkungen und staatliche Zwangsmittel auskam. Gleichzeitig gingen die Infektionszahlen dort durch die Decke. Er erntete einen Sturm der Entrüstung - doch offenbar hatte er eine große Zahl von Menschen auf seiner Seite, die Umfragewerte wurden immer besser. Auch am Mittwoch verteidigte er seine lasche Linie in der Pandemiebekämpfung und bezeichnete das Vorgehen der US-Regierung als autoritär. Beim Streitthema Einwanderung ließ er vergangenes Jahr mit einer beispiellosen PR-Inszenierung Migranten aus Texas auf die Insel Martha's Vineyard vor der US-Ostküste fliegen, wo besonders viele liberale und vermögende Amerikaner ihre Sommerdomizile haben.

Bei solchen Provokationen geraten einige der durchaus auch bei Demokraten beliebten Gesetze des aufstrebenden Politikers in Vergessenheit, etwa der ausgeweitete Schutz der Wildtier-Reservate und Gehaltserhöhungen für Lehrkräfte. Der Gouverneur mit der konservativen Bilderbuch-Familie wurde schließlich im November mit einem historisch starken Ergebnis wiedergewählt - entgegen dem Bundestrend bei den US-Zwischenwahlen, bei denen vor allem Kandidaten deutlich schlechter abschnitten als erwartet, die Trump unterstützt hatte.

Für seinen Wahlkampfstart wählte DeSantis nun eine bemerkenswerte Plattform. In einer Art Live-Konferenz auf Twitter schilderte er seine Pläne dem exzentrischen Chef des Kurznachrichtendienstes, Elon Musk. Der Tech-Milliardär ist bekannt dafür, als Verstärker rechter politischer Thesen zu agieren und hat in der Vergangenheit etliche Accounts unliebsamer Journalisten und anderer Kritiker sperren lassen. DeSantis huldigte Musk in der Audioschalte als "Verfechter der freien Meinungsäußerung" - wenig überraschend, dass auch Musk und diverse Fragensteller für DeSantis nur lobende Worte übrig hatten.

Es es ist ungewöhnlich, dass DeSantis seine Pläne nicht in einer riesigen Halle mit Hochglanzoptik und live übertragen von den großen Fernsehsendern verkündet, sondern sich im Plausch mit dem Twitter-Besitzer zu seinen Ambitionen äußert. Die Strategie dahinter könnte sein, dass DeSantis auf Trumps frühere Lieblingsplattform und deren Chef als Fürsprecher setzt - schließlich gilt Musk als Rockstar unter Geschäftsleuten mit großer konservativer Fangemeinde und garantiert Aufmerksamkeit. Die Hilfe des Milliardärs, der zuletzt sagte, er wolle einfach einen "einigermaßen normalen" Präsidenten, könnte Trump schmerzen und zögerliche Unterstützerinnen und Unterstützer zu DeSantis treiben.

Trump weiß, dass DeSantis sein wohl größter innerparteilicher Konkurrent ist - und hat wahrscheinlich nicht ganz unrecht mit der Erzählung, dass er ihm als Mentor erst zum Gouverneursposten verhalf. Der einstige Immobilienmogul hat sich auf ihn eingeschossen, DeSantis sogar schon indirekt in die Nähe von Sex mit Minderjährigen gerückt. Und zum gerade beschlossenen, besonders weitgehenden Gesetz zur Beschränkung von Abtreibungen in Florida sagte Trump, selbst viele Konservative fänden es "zu scharf". Dabei hat er oft selbst als Scharfmacher agitiert und schert sich sonst eher wenig um Differenzierung.

DeSantis jedoch will der wählbare, bessere Trump sein: kein Drama, sondern Ergebnisse - und all das ohne Ballast und Bürde des Ex-Präsidenten. Dafür ist er auf einem schmalen Grat unterwegs: Trumps hat Millionen Kernanhänger, Beobachter reden von etwa 30 Prozent der Wähler, die darf der Mann aus dem Sunshine State nicht vergrätzen, wenn er gegen den demokratischen Präsidenten Joe Biden 2024 eine Chance haben will. Und er muss damit rechnen, dass Trump seine Basis gegen ihn aufhetzen wird, wenn er sich davon einen Vorteil verspricht. Während der Twitter-Veranstaltung fiel der Name Trump jedenfalls kein einziges Mal.

Zum Verhängnis werden könnte DeSantis aber noch etwas Anderes: Immer wieder betont er, dass ihn Beliebtheit - anders als Trump - nicht interessiere. Dies scheint nicht nur Pose: Regelmäßig melden sich politische Wegbegleiter zu Wort, die sich enttäuscht darüber äußern, dass DeSantis sie links liegen gelassen habe. Fehlende Seilschaften und das Image des illoyalen Karrieristen könnten ihm im Wahlkampf schaden.

DeSantis gilt nicht als jovialer Mann des Volkes: Small Talk fällt ihm schwer, Veranstaltungen mit Tuchfühlung zur Wählerschaft werden schnell unangenehm. Nach einer Auslandsreise, bei der er kürzlich britische Wirtschaftsgrößen traf, berichtete das Magazin "Politico", DeSantis habe gelangweilt und uninspiriert gewirkt. Ein Augenzeuge erzählte demnach, keiner im Raum habe den Eindruck gewonnen, dass "dieser Mann es zu irgendwas bringt". (dpa/25.5.23)

Darüber, was ein Präsident DeSantis für die US-Außenpolitik und Verbündete wie Deutschland bedeuten könnte, wurde bislang wenig geredet. Zuletzt sorgte er mit Äußerungen für Aufsehen, Russlands Krieg gegen die Ukraine dürfe angesichts innenpolitischer Herausforderungen keine Priorität für die USA sein. Trotzdem gibt es aus europäischer Sicht im Vergleich mit Trump die Hoffnung, dass DeSantis besonnener handeln könnte und Allianzen nicht leichtfertig aufs Spiel setzen würde.

In Umfragen lag Trump zuletzt weit vor konkurrierenden Präsidentschaftsaspiranten in seiner Partei. Beobachter machen dafür auch die Ermittlungen der US-Justiz gegen ihn verantwortlich, die die Republikaner ein Stück weit hinter ihm vereint. Doch aus der gegenwärtigen Führung Trumps in den Umfragen lässt sich keineswegs schließen, DeSantis habe keine Chance. Zum selben Zeitpunkt im Vorwahlkampf der Demokraten war Barack Obama 2007 klarer Außenseiter gegenüber Hillary Clinton. Und im Mai 2015 lag ein gewisser Donald Trump in Umfragen gar im niedrigen einstelligen Bereich.

(dpa/Benno Schwinghammer, Magdalena Tröndle und Julia Naue)