Die "Witbooi-Bibel", die nach mehr als hundert Jahren an Namibia zurückgegeben wird, ist die Familienbibel des namibischen Volkshelden Hendrik Witbooi (um 1830-1905). Sie kam zusammen mit seiner Viehpeitsche 1902 als Schenkung des Berliner Hofrats von Wassmannsdorf an das Stuttgarter Linden-Museum. Witbooi war während der deutschen Kolonialzeit "Kaptein", einer der wichtigsten Anführer der Nama-Gruppen. Durch Einfluss der christlichen Missionare im damaligen "Deutsch-Südwestafrika" war er christlich erzogen worden.
Das in der Nama-Sprache verfasste Neue Testament enthält handschriftliche Anmerkungen von Hendrik Witbooi. Wahrscheinlich wurde es im Jahr 1893 bei einem Angriff auf Hornkranz, den Hauptsitz Witboois, von deutschen Kolonialtruppen erbeutet. Der Nama-Anführer war zunächst eine strategische Allianz mit der Kolonialmacht eingegangen und hatte sie 1904 bei der Niederschlagung eines Aufstands der Volksgruppe der Herero unterstützt.
Wenig später führte Witbooi jedoch die Nama-Soldaten in ihrem Aufstand gegen die Deutschen an. Der Widerstand der Nama und Herero wurde 1908 niedergeschlagen, das brutale Vorgehen der kolonialen Truppen forderte Zigtausende Opfer und gilt vielen Experten als Völkermord. Witbooi starb bereits 1905 an einer Kriegsverletzung.
Wie die Bibel in die Hände Wassmannsdorfs kam, ist nicht bekannt. Der Hofrat war zwischen 1895 und 1898 "kommissarischer Intendant für die Schutztruppe und Chef der Finanzverwaltung" im damaligen Deutsch-Südwestafrika. Er schenkte das Buch dem Württembergischen Verein für Handelsgeographie, dem Vorläufer des 1911 eröffneten Linden-Museums.
Baden-Württemberg restituiert damit erstmals ein afrikanisches Kulturobjekt aus der Kolonialzeit. Namibia hatte um die Rückgabe der "Witbooi-Bibel" gebeten. Am 28. Februar soll sie in einer Zeremonie in Gibeon Vertretern der namibischen Regierung übergeben werden.
Nama-Vertreter beanspruchen das Kulturerbe für sich und kritisieren die Rückgabe an den Staat.
(epd, 28.02.2019)